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Energieform mit Potenzial: Solarthermie im Gewächshausgartenbau

Ein Artikel von Thomas Staiger | 06.02.2013 - 09:50
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Etwa 5.500 m2 groß ist die Fläche, auf welcher die Mitarbeiter der Ingersheimer Gärtnerei Willmann unter dem Glasdach eines Gewächshauses Gemüse, Salat und Kräuter für den Markt und den eigenen Hofladen ziehen. Rund 50.000 Liter Heizöl hat der Demeter-Gärtner bisher jährlich verbraucht, um die Temperatur in den Glashäusern bei Bedarf hochfahren zu können. Viel zu viel, meinten Willmann und sein beratender Ingenieur Eberhard Schlecht. Gemeinsam mit dem Bissinger Heizungs-Fachmann Thomas Staiger haben sie deshalb die Heizung um eine Solaranlage ergänzt, die auf die Anforderungen der Gärtnerei ganz besonders zugeschnitten ist. „Denn eine Gärtnerei braucht Unmengen von Wärme“, sagt Gärtner Willmann. Auf die Idee, die Sonnenenergie für seine Pflanzen zu nutzen, ist Willmann im Super-Sommer des Jahres 2003 gekommen.

Vorteile einer Solarheizung
Um Tomaten, Gurken oder Paprika zu ziehen, ist vor allem in der Übergangszeit oder an kühlen Sommertagen Wärme notwendig, erläutert Willmann, deutlich mehr als in der kühlen Jahreszeit, wenn beispielsweise Ackersalat angebaut wird. Wenn im April Frost droht, oder sobald sich in kühlen Nächten Tau an den Scheiben niederschlägt, muss in der Nacht geheizt werden, erklärt der Ingersheimer Gärtner.
Der Vorteil von Willmanns Solarheizung, welche vom Unternehmen Ritter XL Solar aus Karlsbad/D geplant wurde: Sie nutzt Wasser als Heizmedium, das etwa 10–15 % effektiver als das sonst übliche Frostschutzmittel sei. Es läuft in Vakuumröhren statt in flachen Modulen und erhitzt sich darin unabhängig von der Außentemperatur auf 90 °C, vorausgesetzt, die Sonne scheint oder das Licht ist zumindest diffus, erläutert Heizungs-Spezialist Thomas Staiger. Das beinahe kochende Wasser wird in einen Speicher mit 60.000 Liter Fassungsvermögen geleitet und ist von dort bei Bedarf sofort abrufbar.

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Ausgeklügelte Steuerungstechnik optimiert Beheizung
In absenkbaren Röhren wird das heiße Wasser ins Gewächshaus geleitet. Feld für Feld innerhalb des Glasbaus lässt sich mittels einer umfangreichen Steuerungstechnik einzeln beheizen, sodass der Chicoree auf 18 °C hochgefahren wird, der benachbarte Ackersalat aber weiter kühl gehalten wird, nennt Willmann ein Beispiel. Nebenbei kann auf diese Weise auch das Prinzip der Fruchtfolge besser eingehalten werden.

Amortisationsberechnungen
Um die 10 % seiner Heizölrechnung will der Gärtner mit der Solaranlage, die im September in Betrieb genommen wurde, jährlich sparen. Die Investition von etwa 90.000 Euro, die von der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) mit 20 000 Euro bezuschusst wurde, soll sich nach etwa acht Jahren rechnen. „Wenn der Heizölpreis steigt, geht es schneller“, sagt Ingenieur Eberhard Schlecht. Die Lebensdauer der Vakuumröhren schätzt Heizungsspezialist Staiger auf etwa 35 Jahre, sodass für Gärtner Willmann nach der Amortisation der Anlage noch genügend Zeit verbleibt, Wärme zum Beinahe-Nulltarif zu erzeugen.

Wissenschaftliche Begleitung
Fachmann Thomas Staiger hat solche Anlagen seit dem Jahr 2005 in mehreren Mehrfamilienhäusern und Industriegebäuden eingebaut, Willmanns Gärtnerei sei deutschlandweit aber bisher die einzige, die Wärme auf diese Art gewinnt. Um nachzuweisen, in welchem Umfang die Wärme aus den Sonnenkollektoren im Gewächshaus ankommt, wird das Projekt wissenschaftlich begleitet. Studenten der Stuttgarter Universität vom Institut für Thermodynamik und Wärmetechnik haben im Vorfeld die passende Größe für Willmanns Gärtnerei errechnet und darüber eine Semesterarbeit verfasst. Jetzt messen sie, wie viel Wärme tatsächlich an die Pflanzen gelangt. Mit dieser Verknüpfung wollen Staiger und Willmann zeigen, dass die Solaranlage „nicht nur Chefhobby ist“, sondern die Funktionalität tatsächlich auch nachweisen.