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Allee- und Straßenbäume: Produktion unter schwierigen Rahmenbedingungen

Ein Artikel von Peter Springer | 11.01.2011 - 09:48

Die Diskussion ist sicherlich nicht neu, wenn von schlechten Qualitäten, von sinkenden Preisen und von zu großen Aufschulmengen gesprochen wird. Das war schon vor 30 Jahren das Lieblings-Thema alleebaumproduzierender Baumschulen. Damals konnte sich allerdings keiner so recht vorstellen, mit welchen Schwierigkeiten die Produzenten heute zu kämpfen haben. Wahrscheinlich hätten dann einige bereits den geordneten Rückzug angetreten. Vergleichbar mit den heutigen Marktverhältnissen herrschte damals ein goldenes Zeitalter. Was aber ist geschehen?
Nachdem offensichtlich wurde, dass mit Alleebäumen gutes Geld zu verdienen ist, konzentrierten sich viele Betriebe auf diesen Produktionsbereich. Mit dem Erfolg, dass im Laufe der Zeit die ersten Anzeichen einer Überproduktion offensichtlich wurden. Das hatte erste Preisnachlässe zur Folge. Hinzu kam eine zweite Entwicklung mit fatalen Folgen. Viele Länder Europas leben seit Jahren über ihre Verhältnisse und bauen riesige Schuldenberge auf. Fazit davon sind Städte und Kommunen ohne ausreichende Finanzmittel. Da­runter leidet auch das öffentliche Grün, welches nur noch auf ein absolut notwendiges Minimum beschränkt wird. Zu der Überproduktion in den Baumschulen kam also auch noch eine Absatzkrise seitens der öffentlichen Hand. Zu allem Überfluss ist auch der Absatz in andere Kanäle mit Problemen versehen. Die Bauwirtschaft lahmt und hat mit einem reduzierten Auftragsvolumen zu kämpfen. Das verschlechtert auch die Auftragslage des Garten- und Landschaftsbaus und mit ihm die der Baumschulen. Darüber hinaus verliert die Bedeutung von Grün und damit von Baumanpflanzungen oder Baumerhaltungen in Zeiten knapper Kassen immer mehr an Bedeutung. Die Menschen lieben zwar das Grün, sind aber nicht bereit, dafür Geld auszugeben oder sich dafür einzusetzen.

Gute Produktionsvoraussetzungen
Dabei haben mitteleuropäische Länder einen für Alleebäume idealen Standort. Gute Böden, ausreichende Niederschläge, ein ausgeglichenes Klima und ausreichend flaches Gelände haben in den Anbauzentren eine starke Alleebaumproduktion entstehen lassen. Die Nähe zu einigen Ballungszentren Europas förderte den Absatz maßgeblich. Inzwischen ist es auch im Alleebaumbereich zu einer starken Diversifikation und Sortenvielfalt gekommen. Für einige Baumschulen ist diese Vielfalt bereits wieder zu groß. Obwohl es sich bei den Alleebäumen um eine langlebige Kultur mit hoher Kapitalbindung handelt, werden immer kürzere Trends in der Sortenwahl beobachtet. Die Baumschulen sind stark gefordert, um diesen neuen Entwicklungen immer gerecht zu werden. Als Beispiel sei hier die Pyrus calleryana ‘Chanticleer’ genannt, die sich als hervorragender Alleebaum innerhalb weniger Jahre im Sortiment ganz nach oben gearbeitet hat. Wer hier als Alleebaum-Produzenten den Anschluss verpasst, wird in Zukunft mit einigen Nachteilen zu rechnen haben.
Nicht nur Alleebaumschulen machen vor allem der hohe Pflegeaufwand der Kulturen und die damit verbundenen Kosten zu schaffen. Das steht einer schlechten Erlössituation entgegen und zwingt die Betriebe zu rigorosen Sparmaßnahmen. In den vergangenen Jahren wurde dies erreicht durch den Einsatz modernster Technik und mit Hilfskräften aus dem Ausland.

Junge Bäume durch Sparmaßnahmen
Sorge bereitet den Baumschulen das Verhalten ihrer Auftraggeber aus dem öffentlichen Bereich, immer jüngere Baumgrößen auszuschreiben. Das hängt klar mit der Finanzsituation zusammen. Große Bäume werden fast gar nicht mehr verlangt und die Größen 10/12, 16/18 und 18/20 zählen mittlerweile zum Standard. Problematisch ist hierbei der mit dem weiteren Wachstum des Baumes notwendige fachgerechte Erziehungsschnitt. Unterbleibt er aus Kostengründen oder wird er aufgrund mangelnder Kenntnis falsch ausgeführt, entstehen für den Baum langfristige Schäden.
Auf der anderen Seite werden die Auftraggeber aber immer anspruchsvoller und verlangen selbst bei kleinsten Größen Bäume mit Ballen oder den Lieferservice bis direkt an das Pflanzloch. Das verursacht wiederum massive Probleme mit dem Verhältnis zwischen dem Preis der Ware und den damit erheblich gestiegenen Frachtkosten. Inzwischen lohnt sich eine reine Alleebaumfracht für die Baumschulen kaum mehr.

Übertriebene Qualität?

Immer wieder heftiger Diskussionspunkt auch bei den Alleebäumen sind die in der FLL festgelegten Qualitätskriterien. Jeder hält sie zwar für sinnvoll, nicht jeder ist aber mit der zum Teil übertriebenen Ausarbeitung einverstanden. Muss ein 16/18er Alleebaum wirklich mit einem 4 m hohen Kronenansatz ausgestattet sein? Das Problem entsteht nämlich dann, wenn eine Kommune glaubt, einen fertigen Baum vor sich zu haben, ohne ihn weiter schneiden oder pflegen zu müssen. Ähnlich ist es mit dem Verpflanz-Rhythmus. Der ist naturgemäß unterschiedlich und von der jeweiligen Bodenart abhängig. Einige Baumschulen fordern daher, im Rahmen der Qualitätskriterien die Mindestanforderungen in den Vordergrund zu stellen und nicht ein Maximum zum Maß aller Dinge werden zu lassen. Dann kommen auch nicht so Stilblüten wie ein 12/14er Quercus Hochstamm mit 4 m hohem Kronenansatz dabei heraus.

Mangelnde Motivation
Den Allee-Baumschulen drückt der Schuh aber nicht nur im Bereich der Verkaufssituation. Auch wenn das Thema Pflanzenschutz in den vergangenen Jahren nicht mehr den großen Stellenwert einnimmt, so ist es nicht unbedingt besser geworden. Viele Pflanzenschutzmittel sind nicht mehr am Markt und die Anwendung ist stark reglementiert. Trotz bester mechanischer Bearbeitungsgeräte ist das Thema Unkraut im Quartier immer noch prob­lematisch. Vor allem Baumschulen mit schweren Böden müssen viel Aufwand treiben, um Konkurrenzwuchs zu unterdrücken.
Besondere Sorge bereitet den Betrieben die Nachwuchsfrage und die Mitarbeitermotivation. Fast alle Unternehmen sind auf saisonale Hilfskräfte, meist aus dem Osten, angewiesen. „Ohne sie könnten wir den Betrieb zumachen“ erzählte der eine oder andere Baumschuler. Das Thema „Grün – Umwelt – Pflanze“ hat bei unserer Jugend so gut wie keinen Stellenwert mehr. Daher ist es auch sehr schwierig, vernünftige Nachwuchskräfte für die fachliche Führungsebene zu bekommen. Demzufolge ist die fachliche Qualifikation allgemein gesunken.

Politik in der Sackgasse
Die Absatzkrise im Gehölzbereich ist zum Teil auch gesellschaftspolitisch begründet. Die Kenntnis über und das Interesse an der Natur ist in zuletzt rapide gesunken. Es ist schon erschre­ckend mit anzusehen, wenn einfachste Bäume wie Eichen oder Buchen nicht mehr erkannt werden oder wenn Kinder mehr vor der Spielekonsole sitzen als sich in freier Natur aufzuhalten. Unkenntnis bewirkt in dem Fall eine geringe Einschätzung des Wertes und so ist es nicht verwunderlich, wenn selbst alte Bäume mal schnell gefällt werden. Menschen mit geringer Wertschätzung für die Natur pflanzen auch keine Bäume oder setzen sich für Grün in ihrer Stadt ein. Statt eine positive Ausstrahlung von Pflanzen in den Vordergrund zu stellen, sind nervenzerrende Diskussionen um das Thema autochthone Gehölze entstanden und immer noch nicht beendet. Nach wie vor ist wissenschaftlich nicht bewiesen, ob denn autochthone Gehölze besser wachsen würden als andere. Die Diskussionen sind in Baumschulkreisen nach wie vor voll im Gange. Während die einen das Thema nur als ein weiteres marktpolitisches Instrument sehen, haben sich andere darauf spezialisiert und bieten herkunftsgesicherte Alleebäume mit Prüfzeugnis und Qualitätsgarantie an.

Als Fazit lässt sich zusammenfassen, dass die vergangenen Jahre als die schwersten in der Baumschulwirtschaft zu bezeichnen sind. Aufgrund der besonderen Absatzstrukturen und der Verknüpfung mit der konjunkturellen Lage hat es dabei die Alleebaumschulen außergewöhnlich hart getroffen. Der Markt wird europaweit gekennzeichnet durch Überproduktion, große Bestände und fallende Preise für die Baumschulprodukte. Hinzu kommen noch zahlreiche zusätzliche Besteuerungen und steigende Kosten im Energiesektor. Die Erweiterung der europäischen Union durch einige Billig- lohnländer wird den Markt weiter belas­ten. Derzeit sieht es so aus, als ob die Marktbereinigung noch nicht abgeschlossen ist und der harte Konkurrenzkampf im Alleebaumbereich noch Opfer fordern wird.