Sowohl in Baumschulen als auch im GaLaBau stellt sich immer häufiger die Frage nach einem verlässlichen Stammschutz. Gerade in Serienpflanzungen bedeutet nach einigen Jahren der Austausch betroffener Bäume ein immenses finanzielles und logistisches Problem. Unangenehm ist auch die Klärung der Haftungsfrage: Wer ist verantwortlich für den Schaden – die Baumschule, ausführende Firma oder der Auftraggeber?
Laut Dr. Axel Schneidewind vom Zentrum für Gartenbau in Quedlinburg/D ist ein Stammschutz nicht nur bei dünnrindigen Baumarten wie Ahorn, Linde und Rosskastanie zwingend erforderlich. Untersuchungen belegen, dass zur Verhinderung von Nekrosen ein Stammschutz über mindestens fünf bis sieben Jahren gewährleistet sein muss. Eine Entfernung des Stammschutzes bei der Endabnahme nach vereinbarter Fertigstellungspflege (z. B. zwei Jahre) ist demnach auf jeden Fall zu vermeiden.
Auf besonderes Interesse stieß der von Schneidewind vorgestellte Vergleich von flexibler Schutzmatte und Stammanstrich, welche sich in den vergangenen Jahren als effektivste Methoden herausgestellt haben. Während der Stammanstrich eine höhere zeitliche und finanzielle Startinvestition bedeutet, fällt bei der Matte der höhere Pflegeaufwand in den Folgejahren ins Gewicht.
Qualitätsunterschiede bei Stammschutzfarben
DI Ute Renner vom Institut für Gartenbau Weihenstephan hatte schon 2008 auf die unterschiedlichen Haltbarkeiten von Stammschutzanstrichen (allerdings im Obstbau) hingewiesen und die Produkte Arbo-Flex und Proagro Baumweiß empfohlen. Diese Ergebnisse werden auch von Schneidewind bestätigt. "Wenn der Anstrich fachgerecht vorgenommen wird, ist ein Nachstreichen in den Folgejahren nicht mehr notwendig." In der Praxis kommt es innerhalb der Jahre zur Vergrauung des Anstrichs, die durch das Dickenwachstum auftretenden Risse sorgen für eine schrittweise Anpassung an die Sonnenstrahlung.
Voraussetzung ist, dass der Anstrich bei einer trockenen Witterung (> 5 °C) erfolgt, entweder direkt nach der Verpflanzung oder sogar schon davor. Schneidewind: "Die Möglichkeit, die Bäume in einer frostfreien Halle zu streichen und dann fertig zu liefern, wird zu selten in Betracht gezogen. Dabei ist dies oft viel ökonomischer und schneller."
Fachgerechter Anstrich
Vor dem Anstrich müssen die Stammteile mit einer weichen Drahtbürste oder einem Schleifvlies gereinigt werden, außerdem ist noch ein Grundierungsanstrich erforderlich. Vom Stammfuß bis zum Kronenansatz sollte auf jeden Fall gestrichen werden, auch höher positionierte besonnte Bereiche (z. B. nach Aufastungsarbeiten) brauchen entsprechenden Schutz. Derzeit laufen in Quedlinburg weitergehende Versuche, bei denen der Baum bis weit in den Aufastungsbereich gestrichen wird (über 4 m Höhe), dies beinhaltet sogar den Anstrich von größeren Schnittstellen und Überwallungswulsten.
Stammschutzmatten
Bei den Stammschutzmaterialien geht ein deutlicher Trend weg von Kunststoffspirale und enganliegender Bandage hin zu Schilfrohr-, Weiden-, oder Tonkinmatte (Bambushalblatten). Besonders die Schilfrohrmatte stellt eine besonders preisgünstige Variante (ca. 1,20 € pro Baum) dar, welche sich bei richtiger Montage nicht stark erhitzt. Die schmalen Abstände der Mattenelemente (0,2–1 cm) sowie der langsame Zerfall der Matte bewirken eine schrittweise Gewöhnung der Jungbäume an die Strahlung. Einziger "Wermutstropfen" ist der regelmäßig auftretende Pflegeaufwand durch Wartung, Nachjustierung und Vandalismus.
Tipps zur Montage
Eine Stammschutzmatte kann zwischen fünf und zehn Jahren wertvolle Dienste leisten, an hochfrequentierten Standorten kann u. a. aus ästhetischen Gründen schon vorher ein Austausch notwendig sein. Um innerhalb dieses Zeitraums eine Materialreserve zu haben (meist nach 2-3 Jahren), wird an der Nordseite des Baumes die Matte doppelt gelegt, ansonsten nur einlagig. Drahtgebundenen Matten sollte auf jeden Fall der Vorzug gegeben werden, da Kunststofffäden zu schnell verspröden. Es empfiehlt sich, die Rollenware schon vorab auf die passenden Mattenabschnitte zuzuschneiden, um den Montageablauf zu beschleunigen.
Der Stammschutz wird mehrfach mit stabilem Bindedraht locker vom Wurzelhals bis knapp unter den Kronenansatz fixiert. Dies kann bei Bedarf auch oberhalb der Baumverankerung wiederholt werden. Auch bereits geschädigte Baumabschnitte können im Nachhinein noch mit Stammschutzmatten abgedeckt werden, um Strahlungs- und Hitzestress sowie Folgeschäden zu minimieren.
Entscheidungshilfe
Anstrich und Stammschutzmatte konnten sich in Schneidewinds Untersuchungen qualitativ bewähren, außerdem gibt jetzt ein quantitativer Vergleich Aufschluss über konkrete Kosten und den Pflegeaufwand. So kann im intensiv genutzten urbanen Raum ein Stammanstrich viel Pflegeaufwand in den Folgejahren ersparen, während bei einer umfangreichen Alleebepflanzung die günstigere Schilfrohrmatte von Vorteil sein kann. Eine signifikante Verringerung des Schädlingsbefalls konnte übrigens bei keiner der beiden Varianten nachgewiesen werden.
Stammschutz in Wien
Ing. Joachim Chen von den Wiener Stadtgärten (MA 42) bestätigt gegenüber Gärtner+Florist die bisher guten Erfahrungen mit der Stammschutzfarbe Arbo-Flex: "Seit knapp zwei Jahren verwenden wir in Wien die Farbe zum Stammschutz von Jungbäumen. Das betrifft im Jahr zwischen 1.000 und 2.000 Neupflanzungen. Die Öffentlichkeit hat diese Veränderung sehr positiv aufgenommen, Fragen oder Beschwerden kamen kaum vor."
Gartenbautechniker Ing. Peter Riedel von der MA 42 verweist auf den erst relativ kurzen Zeitraum der Verwendung in Wien. "Bisher haben wir sehr gute Erfahrungen gemacht, in drei bis vier Jahren werden wir noch mehr wissen."
Die Entscheidung für Stammschutzfarbe wurde damals heiß diskutiert. Riedel: "Zunächst gab es einige skeptische Stimmen, vor allem zur optischen Wirkung im städtischen Raum. Mittlerweile streichen wir mit Ausnahme von Platanen und Birken fast alle Jungbäume. Der Anstrich wird vor der Lieferung direkt in unserer Baumschule vorgenommen."