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Baumpflege mit Seil und Gurt

Ein Artikel von DI Hartmut Schnedl | 10.09.2005 - 10:05
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"Wir vermitteln nicht nur Klettertechnik, sondern Baumbewusstsein. Beim Klettern entwickelt man ein Gefühl für den Baum, man sieht viel besser, wo man arbeiten muss.“ – Hinter diesen Worten spürt man den Enthusiasmus der drei jungen Baumpfleger für ihren Beruf. Vor fünf Jahren haben Stefan Hofer und Marcel Kreitl die Baumkletterschule AllianzTrees gegründet. Später stieß der am Myerscough College in England ausgebildete Marcus Geyer-Grois hinzu.
Die Seilklettertechnik, wie sie von AllianzTrees gelehrt wird, fasste in Österreich gegen Ende der 80er Jahre Fuß. Baumpfleger aus England, die im Laufe ihrer Ausbildung zum „Arboristen“ ein Auslandspraktikum absolvierten, brachten ihre österreichischen Kollegen auf den Geschmack. Organisierte Kurse gab es damals noch nicht. Wer die Technik von Grund auf lernen wollte, musste nach England gehen.
Um den Bedarf an Ausrüstung zu decken, die bislang aus England oder aus den USA importiert wurde, begann Marcel Kreitl Gurte, Seile und Zubehör zu vertreiben. Als er sein Sortiment beim Baumtag 2000 präsentierte, wurde er mit zahlreichen Anfragen nach der richtigen Seilklettertechnik konfrontiert. Es war die Geburtsstunde von AllianzTrees

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Sicherheit geht vor
Bei der Seilklettertechnik arbeitet der Baumpfleger direkt im Baum. Über einen Ankerpunkt, möglichst weit oben in der Krone, ist er bei jeder Bewegung durch das Seil gesichert. Um das Körpergewicht vom Ast, auf dem er gerade steht, wegzubringen, hängt er ständig im gespannten Seil. Das stellt wesentlich andere Anforderungen an Seil und Gurte als das Felsklettern.
Die großen Vorteile der Seilklettertechnik gegenüber dem Arbeiten von der Hubbühne aus sind Schnelligkeit und Flexibilität. Mit dem Seil erreicht man jeden Punkt im Baum ohne sich den Weg frei schneiden zu müssen. Da ohne schweres Gerät gearbeitet wird, ist die Seilklettertechnik praktisch überall einsetzbar. Nur in einigen Fällen – vor allem wenn es um das Freischneiden von Alleen geht – ist die Hebebühne effizienter. Hebebühnen sind dann sinnvoll, wenn der Baum nicht mehr bruch- oder standsicher ist, und wenn Bäume effizienter in der Hubsteigetechnik gepflegt oder gefällt werden können.
Sicherheit steht beim Baumklettern an oberster Stelle, das wird auch in den Kletterkursen von AllianzTrees vermittelt. Marcel Kreitl erzählt von Kursteilnehmern, die seit 10 Jahren in der Baumpflege arbeiten und erst im Kurs gelernt hätten, sich sicher und angstfrei im Baum zu bewegen.

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Internationaler Standard
Nach absolvierter Trainerprüfung in Deutschland richtete AllianzTrees ihre Kurse nach dem Standard der Deutschen Berufsgenossenschaft für Gartenbau aus. Damit sind die Absolventen des Grundkurses und des Aufbaukurses (Module A und B) für das Arbeiten im Baum nach deutschen Richtlinien zertifiziert. Auf Wunsch werden auch Kurse nach dem englischen NPTC-Standard (National Proficiency Test Council) angeboten. „Nach der NPTC-Ausbildung haben die Absolventen eine weltweit anerkannte Qualifikation“, erläutert Marcus Geyer-Grois. Weitere Arbeitstechniken im Baum, wie Fällungen und Abtragungen, Abseiltechniken von Ästen oder Arbeiten im Gefahrenbereich werden im aufbauenden C-Kurs gelehrt. Darüber hinaus bietet AllianzTrees Spezialkurse und Workshops an. Die Kurse finden am Ort der Nachfrage statt, interessierte Firmen können auch ganze Kurse oder Workshops zur Schulung ihrer Mitarbeiter buchen. Nach jedem Kurs gibt es eine schriftliche und mündliche, sowohl theoretische als auch praktische Erfolgskontrolle.
Wer an einem Seilkletterkurs teilnehmen will, muss einige Grundvoraussetzungen mitbringen. Dazu gehören ein Mindestalter von 18 Jahren, Fachkenntnisse auf dem Gebiet der Baumpflege und eine gewisse körperliche und geistige Kondition. Vor Kursbeginn ist deshalb eine arbeitsmedizinische Untersuchung durchzuführen. Die in jahrelanger Praxis geschulten Trainer legen großen Wert auf „Learning by Doing“. Anstatt grauer Theorie steht die Arbeit im Baum steht im Vordergrund. Dass die fünf Kurstage nicht allzu streng-akademisch verlaufen, versteht sich von selbst.

Baumpflege – viel mehr als nur Baumschnitt
Als Baumpfleger ist es Kreitl, Hofer und Geyer-Grois ein Anliegen, den Sinn der Öffentlichkeit für Bäume und Baumpflege zu schärfen. Zu oft wird immer noch Baumpflege mit Baumschnitt gleichgesetzt. Baumbesitzer würden
Pflegemaßnahmen oft nach der Devise „Je mehr geschnitten wird, umso mehr bekomme ich für mein Geld“ beurteilen. Neben der Arbeit mit dem Baum müsse es deshalb die Aufgabe der Baumpfleger sein, baumbiologische Grundlagen zu vermitteln und zu erklären, welche Schnittmaßnahmen sinnvoll und notwendig seien. Vom Berufsstand der Baumpfleger wünschen sich die Arboristen mehr Bewusstsein für Sicherheitsstandards beim Klettern. Viele Unfälle würden geschehen, weil Baumpfleger nicht über die richtige Technik Bescheid wüssten. „Teilweise sind die Leute schon sehr wild unterwegs“ meint Geyer-Grois.