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Torf und Alternativen

Ein Artikel von Peter Springer | 12.02.2015 - 15:55
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Die Verwendung von Torf in gärtnerischen Kultursubstraten steht ­derzeit in einer heftigen und teilweise sehr kontrovers geführten Diskussion. Die einen lehnen es strikt ab, weil ihrer Ansicht nach für den Torfabbau Moore zerstört werden, die anderen sehen ­darin kein Problem, weil der Abbau – in Mitteleuropa jedenfalls – nur noch in degenerierten Mooren stattfindet (d. h. entwässert und lange Zeit landwirtschaftlich genutzt).

Der Torfabbau ist ein klassisches Konfliktfeld im Bereich Naturschutz. ­Erbittert wurde in den vergangenen ­Jahren um die noch verbliebenen intakten Moore gekämpft – allerdings ohne ­großen Erfolg: So sind in Norddeutschland von den etwa 1,5 Mio. ha heute ­nur noch knapp 5 % naturnah. Der größte Teil wird landwirtschaftlich genutzt.

Ende des Torfabbaus in Sicht?

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Interessant ist, dass sich der Ton zwischen der Torfindustrie und den Umweltschutzverbänden deutlich verbessert hat. Diskutiert werden sogar mögliche Perspektiven einer gemeinsamen Moorsanierung von Naturschutz und Industrie. Beide sprechen miteinander, weil aufgrund des Klimawandels und der damit verbundenen Gegenmaßnahmen massive Veränderungen zu erwarten sind.

Den Naturschützern bereitet dabei der Landnutzungswandel zunehmend Sorgen – hier besonders der Ausbau von Flächen zur Erzeugung erneuerbarer Energien. Dadurch entsteht ein Nutzungsdruck auf vorher landwirtschaftlich unattraktiven Flächen. Problematisch ist hier vor allem die Konzentration der Nutzung. Der Torfabbau steht somit nicht mehr so sehr im Vordergrund, zumal der in vielen Ländern inzwischen stark reglementiert ist.

Am Beispiel Deutschland zeigt sich, dass sich dadurch sowohl quantitativ wie auch qualitativ die Abbauflächen verringert haben und dass hier ein Ende des Torfabbaus in Sicht ist. Greift dann auch noch in Niedersachsen, dem Bundesland mit den größten Torfvorkommen, die geplante Änderung des Landesraumordnungsprogramms, dann wird ohne weitere neue Genehmigungen der Torfabbau im Jahr 2021 die für die Torfindustrie kritische Abbaumenge von rund 5 Mio. m³ unterschreiten – 2042 wäre dann endgültig Schluss.

Gewässer- und Klimaschutz als Gesamtstrategie

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Leider hat die Entwicklung zu keiner besseren Perspektive für die Moorlandschaften in Deutschland geführt, was auf die fehlende Gesamtstrategie für diese Flächen zurückgeführt wird. Der Verlust an Moorböden schreitet trotzdem voran, denn auch die landwirtschaftliche Nutzung führt zu einem Torfverlust von jährlich 1 bis 4 cm. Da mit dem Schutz der Moorlandschaften auch der Klima- und Gewässerschutz verbunden ist, werden bei gleichbleibender Entwicklung die auf diesem Gebiet gesetzten Ziele nicht erreicht werden können.

Kritisiert werden vor allem jene Renaturierungsmaßnahmen, die sich nur auf die Torfabbaubereiche konzentrieren und die Randbereiche vernachlässigen. Inzwischen sind die ökologischen Auswirkungen einer Wiedervernässung wesentlich besser bekannt. Bereits realisierte Projekte zeigen, wie sich vor allem im Bereich des Klimaschutzes die besten Effekte erzielen lassen. Naturnahe Moore gelten als klimaneutral, weil sie große Mengen an Kohlenstoff speichern. Zwar entweichen hier gewisse Mengen an klimaschädigendem Methan und Lachgas, was aber die positive Bilanz kaum beeinträchtigt.

Ganzheitliche Konzepte sind notwendig

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Anders in entwässerten und gedüngten Mooren: Hier entweicht eine große Menge an Kohlendioxid, was dann als klimaschädigend einzustufen ist. Gebraucht wird daher ein gesamtheitliches Konzept, das den gesellschaftlichen Anforderungen über den bisherigen Regelungen gerecht wird.

Um eine Fläche erfolgreich renaturieren zu können, ist der Abtrag des Oberbodens bis zur Dränung notwendig. Erfahrungen zeigen, dass Vernässungen landwirtschaftlich genutzter Moorböden ohne Abtrag zu massiven Problemen führen können. Bei der Abtragung bleibt eine Schwarztorf-Auflage, die dann als Sanierungshorizont dient. Diese Verfahren wären auf großen landwirtschaftlich genutzten Flächen allerdings mit immensen Kosten verbunden und daher außerhalb der Schutzgebiete kaum umsetzbar.

Besser ist es, sich zunächst auf Flächen mit einer Torfmächtigkeit von über 2 m zu konzentrieren. Das sind allein in Niedersachsen rund 25.000 ha. Rund 8.000 ha sind es, wenn darüber hinaus der Aspekt der Rohstoffnutzung – Torfabbau bis auf den Sanierungshorizont – einbezogen wird.

Wundermittel Torfersatzstoffe?

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Gärtner verfolgen die Debatte um den Torf mit Sorge, weil er nach wie vor aufgrund seiner einzigartigen biologischen, chemischen und physikalischen Eigenschaften als wichtigster Bestandteil in Substratmischungen anzusehen ist. Er sorgt für eine hohe Wasser- und Luftkapazität sowie für eine gute Strukturstabilität.

Torf ist zudem frei von Schadstoffen, Unkrautsamen und Keimen. Er besitzt eine geringe mikrobielle Belebung, einen optimalen pH-Wert und steht in gleichbleibend hoher Qualität und ganzjährig zur Verfügung. Mit ihm lassen sich somit klar definierte und in den Eigenschaften besonders einheitliche Substratmischungen herstellen. Bei den derzeit aufkeimenden Diskussionen um torfreduzierte oder sogar torffreie Substrate ist anzumerken, dass Ausgangsstoffe wie Holzfasern, Kompost und Kokosprodukte immer als eine zweckmäßige Ergänzung zu Torf anzusehen sind.
Nur in Kombination mit Torf erzielen diese Stoffe ihre pflanzenbaulich gewünschte Wirkung. Um eine höchstmögliche Kultursicherheit zu gewährleisten, werden Ersatzstoffe in den meisten torfreduzierten Substraten daher auch nur zu einem Anteil von etwa 30 % beigemischt.

Das heißt aber auf keinen Fall, dass gärtnerische Kulturen nicht auch in völlig torflosen Substratmischungen herangezogen werden könnten, die Frage ist dabei nur, welches Risiko der produzierende Gartenbau damit eingehen würde. Seine Kulturtechnik ist auf die Verwendung von Torf abgestimmt. Jede Veränderung birgt auch Risiken, die sich letztendlich in einer Gewinnminderung niederschlagen können. Und das kann sich derzeit niemand in einem vom Preis diktierten Markt leisten. Das erklärt auch die bislang zögerliche Verwendung von Torfersatzstoffen in der Praxis.

Anteilsvergleich: Torf versus Ersatzstoffe

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So hat die Erdenindustrie 2013 laut Umfragen des IVG (Industrieverband Garten) unter den eigenen Mitgliedsbetrieben 7 Mio m³ volumengebende Ausgangsstoffe – ohne Sand, Ton, Perlite, Blähton etc.– zu Substraten und Blumenerden verarbeitet, 2009 waren es noch 9 Mio m³. Torf hat dabei mit 83 % (5,8 Mio. m³) nach wie vor den größten Anteil – weltweit sind es für den Gartenbau rund 45 Mio. m³.

Der Anteil alternativer Stoffe ist im Zeitraum 2009 bis 2013 von 14 auf 17 % nur leicht gestiegen (5 % bei den Blumenerden, ­1 % bei den Kultursubstraten). Bei den Blumenerden waren dies vor allem Holzfasern, gefolgt von Kokosprodukten und Grünkompost, bei den Kultursubstraten gab es bei den Holzfasern einen Anstieg um 3 %.

Hinzu kommt, dass sich die Verfügbarkeit diverser Torfersatzstoffe durch die wachsende Konkurrenzsituation zwischen der Energiewirtschaft und ­Substratbranche weiter verschärft hat. Das hat sich vor allem bei den Rindenprodukten dramatisch ausgewirkt. Biomasse gilt als weltweit begehrter Rohstoff und ist daher dementsprechend im starken Maße den Marktgesetzen unterworfen. Als problematisch ist dabei die derzeitige Förderung der thermischen Verwertung anzusehen, die bei der stofflichen Nutzung zu Engpässen und hohen Preisen führt. Die Förderpolitik ist insofern auch unverständlich, weil die Wertschöpfung beim Verbrennen von Biomasse weitaus geringer ist als bei dessen stofflicher Verwertung.

Zukunftschance Kokos?

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Dass es auch anders geht, zeigt der Markt für Kokosprodukte. 42 % der Kokosnuss lassen sich zu Kokosfasern und Kokosmark verarbeiten. Aber nur in ­6 der weltweit 90 produzierenden Länder findet eine nennenswerte Produktion der Fasern statt (derzeit etwa ­1 Mio. t/Jahr). Das ist nur rund 1 bis 2 % der weltweiten Kokosnussproduktion von zirka 50 bis 60 Mio. t/Jahr. Der überwiegende Teil wird als Abfall entsorgt.

Würde die bestehende Kokosnussproduktion effektiver genutzt, ließe sich die Faserproduktion problemlos auf 6 Mio. t/Jahr steigern. Der Bereich zeichnet sich zudem im Gegensatz zu anderen Biostoffen durch eine jahrelange Preisstabilität aus. Voraussetzung für eine Ausweitung sind allerdings entsprechende Handelspartnerschaften sowie Wissens- und Technologietransfer in die entsprechenden Länder.

Einziger Nachteil bei diesen Produkten ist deren belastete Ökobilanz aufgrund der langen Transportwege. Die muss aber nicht zwangsläufig schlechter sein als bei Torf aus dem Baltikum, denn Kokos lässt sich stark pressen und volumenreduziert per Schiff nach Europa transportieren. Bei Torf geht das nicht, weil sonst die Struktur zerstört wird.

Objektiv betrachtet

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Im Prinzip ist die Diskussion um den Torf für den Gartenbau nur von Seiten des Marktes ein Problem. Torf wird auch in Zukunft in ausreichender Menge zur Verfügung stehen, wenn nicht aus Norddeutschland dann aus dem Baltikum.

Weltweit besteht die Landfläche zu 3 % aus Mooren (etwa 400 Mio. ha). Knapp 86 % davon befinden sich noch im natürlichen Zustand – nicht entwässert. Diese speichern rund ein Drittel des organischen Kohlenstoffs. Der jährliche Zuwachs liegt bei 1 bis 2 Mrd. m³, die Abbaumenge jährlich bei 100 Mio. m³. Torf gilt somit weltweit gesehen als nachwachsender Rohstoff, der auch heute noch hauptsächlich in Kraftwerken verbrannt wird und nur zum geringen Teil in den Gartenbau geht.

Warum dann überhaupt die Diskussion um torffreie Substrate? Weil sie dem Gartenbau aufgedrängt wird und weil er sich ihr stellen muss. Und weil sie auch eine große Chance bietet. Denn im Rahmen der ganzen Umwelt-, Nachhaltigkeit-, Öko- und Bio-Diskussionen erhalten entsprechende Produkte einen Mehrwert, der am Markt auch honoriert wird.

 

Torffrei ist ein Nachhaltigkeitstrend

Torffrei ist derzeit „in“ und wird vom gesteigerten Umweltbewusstsein der Bevölkerung und von der politischen Diskussion gefördert. Welche Auswirkung das hat, zeigt derzeit das Sortiment der Blumenerden, wo eine Produktlinie nach der anderen auf die neuen Mischungen umgestellt wird. Geht das in dem Tempo weiter, dann wird es für den Hobbygärtner bald keine torfbasierten Mischungen mehr geben. Einfach deshalb, weil sie ein negatives Image besitzen und dadurch kaum verkäuflich sind.

Aber auch in der professionellen Pflanzenproduktion erhält das Thema immer stärkeres Gewicht. In einigen Ländern wie England oder der Schweiz sind ernsthafte Tendenzen vorhanden, Torf aus dem Gartenbau ganz zu verbannen. Und erste Handelskonzerne fragen nach torffreien Produkten, weil sie sich damit einen Wettbewerbsvorteil versprechen. Die Branche steht vor einem Umbruch: Die Themen Torf und Moor werden zunehmend als Abgrenzungsmerkmal und für Nachhaltigkeitsstrategien genutzt, was wiederum Druck auf die Erdenindustrie ausübt.

Unabhängige Zertifizierungsprogramme als Alternative

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Um den Themen Torfabbau und Torfverwendung in allen gesellschaftlichen Kreisen mehr Transparenz zu verleihen, wurde von der Torf- und Substratindustrie daher kürzlich das RPP-Zertifizierungsprogramm (Responsibly Produced Peat) ins Leben gerufen. Im Vordergrund stehen dabei der naturschonende, umweltbewusste und verantwortungsvolle Umgang mit dem Rohstoff Torf und die Etablierung eines unabhängigen Zertifikats als Beweis für die Glaubwürdigkeit.

2014 fanden in dem Zusammenhang erste Test-Zertifizierungen mit Unternehmen aus ganz Europa statt. Wie wichtig die Darstellung des verantwortlichen Umgangs mit Torf ist, zeigen auch Trends großer Handelskonzerne in Richtung Nachhaltigkeit, wie sie sich z. B. bei Ikea oder Tesco in England derzeit etablieren.

Und selbst weltweit agierende Konzerne wie Unilever haben Programme entwickelt, um Torf langfristig aus dem Produktionsprozess zu entfernen. In dem Fall betrifft es die Anzucht von Jungpflanzen für die Palmölproduktion. Daher wird es schwierig werden, den Imageverlust bei Torf aufzuhalten. Zumal einige Alternativen ­wie Holz-, Rinden- und Kompostprodukte als nachwachsende, nachhaltige Rohstoffe mit ihrer regionalen Herkunft und der günstigen CO2-Bilanz positiv bewertet werden. Einige Substrathersteller beteiligen sich selber an dieser Entwicklung und treiben den Trend weiter voran.

Selbst für Kulturen mit sehr speziellen Substratansprüchen wie den Calluna werden inzwischen torffreie Mischungen angeboten. „Wir sind vorbereitet“, heißt es von ­den Unternehmen. Eine Versorgungslücke ist somit nicht zu erwarten, auch wenn der Torf eines Tages wegfallen sollte.

Öko-Bilanz zeigt Klimawirkung

Achtung – auch alternative Ausgangsmaterialien für Kultursubstrate besitzen eine Klimawirkung. Entscheidend für einen Vergleich ist die Öko-Bilanz oder der CO2-Fußabdruck.

Werden einzelne Substratkomponenten in ihrer Klimawirkung verglichen, steht Schwarz­torf an oberster Stelle – größter CO2-Fußabdruck. Ihm folgt der Grünkompost, der somit eine schlechtere Bilanz als Weißtorf besitzt. Mit Abstand und einer deutlich positiven Bilanz folgen Rinde, Kokos und Holzfasern. In diesem Bereich befinden sich auch Mineralwolle und Torfmooskulturen.