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Überraschende Vielfalt aus dem Boden

Ein Artikel von DI Dr. Roland Ebel | 21.11.2007 - 14:45
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Von E wie Erdbirne über H wie Haferwurzel, K wie Karotte, Kren, Knollenziest oder Kohlrübe, P wie Pastinak bis hin zu Y wie Yacon und Z wie Zuckerwurzel reichte die Vielfalt der Pflanzen, die am Wurzelgemüsetag an der landwirtschaftlichen Versuchsstation in Wies bewundert werden konnte. Den Besuchern eröffnete sich dabei eine Welt aus heimischen Rüben, alt eingesessenen aber in Vergessenheit geratenen Gemüsekulturen und aus exotischen Knollen anderer Klimate, die allesamt in Österreich angebaut werden können.
Hört man das Wort Wurzelgemüse, fällt vielen Menschen dazu Suppengemüse ein. Vielleicht verbindet der Eine oder Andere damit auch noch das gute und bekannte Steirische Wurzelfleisch, aber welch vielfältige Geschmacksnoten von dieser Gemüsegruppe ausgehen, davon sollte in dieser Veranstaltung überzeugt werden.

Wir möchten, dass die Menschen wieder einen anderen Zugang zu diesen Kulturen bekommen, womit auch die Nachfrage nach Wurzelgemüse wieder gehoben werden könnte“, erklärte Doris Lengauer, Leiterin des Referats Spezialkulturen des steirischen landwirtschaftlichen Versuchszentrums, die Motive für den Wurzelgemüsetag, der am zwölften Oktober an der Versuchsstation in Wies/Stmk. stattfand.

Hohe Sortenvielfalt
Dabei wurden Sellerie & Co. den zahlreichen Teilnehmern auf vielfältigste Weise näher gebracht: Zunächst gab es eine ausführliche Führung durch die Parzellen, in denen die zwanzig unterschiedlichen Wurzelgemüsekulturen in natura betrachtet werden konnten. Danach gab es die Möglichkeit, die geernteten Rüben und Knollen – im Ganzen und aufgeschnitten – anzusehen und anzugreifen, wobei bei vielen Arten auch ein Einblick in das große Sortenspektrum (etwa von Karotten, die es in vielen Farbtönen und Formen zu bewundern gab) gewonnen werden konnte.

Pastinakenterrine
Abschließend machten der Lehrkörper und die Schülerinnen der Fachschule Burgstall „Lust auf die unterirdischen Kostbarkeiten“, indem sie den nicht nur wissenshungrigen Wurzelgemüseinteressierten ein Fünf-Gänge-Menü aus Spezialitäten wie „Pastinakenterrine", „Rhonen-Carpaccio", „Yaconchips", „Süßkartoffelrisotto" oder „Erdmandel Panna cotta" servierten. Zwischen den Gängen wurde in Form von Kurzvorträgen das jeweils verwendete Gemüse vorgestellt.

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Saatgutvermehrung
Die meisten dieser teils doch sehr ausgefallenen Kulturen wurden in Wies speziell für den Wurzelgemüsetag angebaut; einige Vertreter werden jährlich ins Versuchsprogramm aufgenommen, wie z.B. Erdmandel oder Sortensichtungen bei Karotte und Sellerie. Aber es werden auch Saatgutvermehrungen (z. B. Rettich) durchgeführt.

Unkomplizierte Kulturen
Dabei, so Lengauer, seien viele dieser Gemüse durchaus problemlos in Österreich anzubauen. „Topinambur ist zum Beispiel eine ganz unkomplizierte Pflanze“, kann sie berichten. „Ähnliches gilt für Yacon, eine Knolle, die bei uns noch sehr wenig bekannt ist“, machte Lengauer deutlich. Selbst der Anbau der Süßkartoffel sei in begünstigten Lagen durchaus denkbar, weshalb mit dieser robusten Kultur sowohl im Zierals auch im Nutzpflanzenbereich experimentiert werde.

Wenig Pflanzenschutz, wenig Düngung
Besonders angenehm an diesen Wurzelgemüsen ist die Tatsache, dass die meisten pflanzenschutztechnisch kaum Schwierigkeiten bereiten, wenn man von Wühlmäusen absieht, die es vor allem auf Yacon und Süßkartoffel abgesehen haben. Bei anderen Familien, wie den Kreuzblütlern, gibt es zudem eine alt bekannte Anfälligkeit für Kohlhernie. Ähnliches gilt für die Düngung, die bei einigen dieser Kulturen nur in äußerst geringem Ausmaß notwendig war – und auf die bei der Erdmandel gänzlich verzichtet werden konnte. Sehen wir uns die vermutlich Unbekannteren unter den Wurzelgemüsen etwas genauer an:

Erdmandel (Cyperus esculentus)
Erdmandelmilch gilt in der Region Valencia (Spanien) als Spezialität. Tatsächlich erinnert der Geschmack der einjährig kultivierten Pflanze an Haselnüsse oder Mandeln. Geerntet wird erst nach dem ersten Frost.

Knollenziest (Stachys affinis)
Die ausdauernde Pflanze kann mehrjährig genutzt werden. Die kurzen, eingeschnürten Wurzeln erinnern optisch ein wenig an Engerlinge, geschmacklich aber glücklicherweise eher an Artischocken oder Schwarzwurzeln.

Pastinak (Pastinaca sativa)
Dieser Doldenblütler war in Mitteleuropa früher sehr populär; derzeit feiert die mineralstoffund kohlenhydratreiche Pflanze ein kleines Comeback. Wenn regelmäßig bewässert und gejätet wird, dann kann die winterharte Wurzel ab Herbst geerntet und danach (unter günstigen Bedingungen) ein halbes Jahr lang gelagert werden.

Taro (Colocasia esculenta)
Die gesunden, stärkehaltigen Knollen sind in unseren Breiten schwierig anzubauen; am ehesten kann die tropische Pflanze noch in Töpfen gezogen werden.

Haferwurzel (Tragopogon porrifolius)
Will man ihre süßlich schmeckenden Wurzeln ab Oktober (den ganzen Winter hindurch) ernten, so muss die einjährig genutzte Haferwurzel zeitig im Frühjahr auf das Feld. Auch die Blätter können übrigens konsumiert werden.

Zuckerwurzel (Sium sisarum)
Eine anspruchslose Pflanze, die den ganzen Winter über geerntet werden kann. Die süßen Wurzeln könnten also auf vielen Standorten in Österreich angebaut werden, wobei tiefgründige Böden ein Vorteil sind.

Erdbirne (Apios americana)
Die Erdbirne ist mit dem Erdapfel nicht verwandt, sondern gehört zu den Schmetterlingsblütlern (wie etwa auch die Bohne). Sie ist eine ausdauernde Rankpflanze, anspruchslos und produziert auf warmen, gut versorgten Standorten Knollen, die dreimal so viele Proteine enthalten wie Kartoffeln.

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Topinambur (Helianthus tuberosus)
Topinambur ist mit der Sonnenblume eng verwandt. Die Knollen der Pflanze, die bis zu drei Meter hoch wird, können als Nahrungsund Futtermittel verwendet werden. Topinambur konnte sich in Europa nie gegen die Kartoffel durchsetzen, obwohl sie für Diabetiker und als Schlankmacher interessant wäre.

Kohlrübe (Brassica napus subsp. rapifera)
Diese Rübe ist vielseitig verwendbar, weil ihr Eigengeschmack sehr dezent ausfällt. Das hat der – in unseren Breiten einstmals sehr häufigen – Kohlrübe den schlechten Ruf eines billigen Substituts für hochwertigere Kulturen eingetragen – zu Unrecht, wie das Kohlrübenpüree der Fachschule Burgstall bewies.

Yacon (Polymnia sonchifolia)
Der Korbblütler bevorzugt tiefgründige, nährstoffreiche und humose Böden. Die ausdauernde Pflanze, der Lengauer ein besonders großes Potential in Österreich beimisst, wird einjährig genutzt. Eine Besonderheit: Yakonknollen müssen nach dem Ernten für einige Tage dem Tageslicht ausgesetzt werden, damit sich die darin enthaltenen Mehrfachzucker in Einfachzucker umwandeln, was ihnen ihr angenehm süßes Aroma verleiht.

Wurzelgemüsetag: Einladung zum Anbau neuer Sorten
Diesen Herbst wird es wohl schon etwas zu spät sein, aber spätestens im nächsten Frühjahr könnten die vielfältigen Knollen und Rüben schon auf einigen Standorten mehr in Österreich zu finden sein dafür hat der äußerst gelungene Wurzelgemüsetag in Wies zweifelsfrei einen Beitrag geleistet.