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Macroglossum stellatarum steht bei der Nahrungsaufnahme wie ein Kolibri im Schwirrflug vor der Blüte © Dirk Daniel Mann/Shutterstock.com

Fehlende Co-Evolution

Taubenschwänzchen in der Falle

Ein Artikel von Renate Stoiber | 19.06.2024 - 09:03

Grundsätzlich ist das Taubenschwänzchen (Macroglossum stellatarum) mit seinem langen Rüssel und dem Kolibri-artigen Schwirrflug perfekt auf die tiefen Blütenkelche der Dipladenia oder Mandevilla angepasst. Sie bieten ein großes Nektarangebot, das für die energieraubende Flugweise der Falter so wichtig ist. Taubenschwänzchen nehmen ihre Nahrung nämlich im Flug auf, indem sie vor der Blüte wie ein Kolibri in der Luft stehend, den Rüssel in den Kelch versenken und setzen sich nicht wie Tagfalter oder Hummeln auf die Blüte.

Blütenmechanismus als Falle

Immer öfter finden aufmerksame Menschen aber die kleinen, flinken Falter ermattet oder sogar tot in den farbenfrohen Blüten vor. Sie bleiben nämlich tief in den Blütenkelchen an den nach unten gerichteten Borstenhaaren der Staubgefäße mit dem Rüssel hängen und können sich nur schwer wieder daraus befreien. Während ihres Schwirrflugs verbrauchen sie dabei viel Energie, besonders wenn sie mehrere solcher Blüten nacheinander besuchen. Dabei kann der Falter so viel Energie verbrauchen, dass die Kräfte nachlassen und er noch in der Blüte verendet. Andere Bestäuber haben die Möglichkeit, auf der Blüte sitzend abzuwarten und sich langsam zu befreien, das Taubenschwänzchen aber nicht.

Das Problem resultierte aus der fehlenden Co-Evolution, dass sich also die eingeführte tropische Pflanze und der europäische Nachtfalter (der uncharakteristischer Weise tagaktiv ist) nicht wie andere Bestäuber-Pflanzen-Paare in der Entwicklung aufeinander eingestellt haben. Die in den Tropen bestäubenden Kolibris sind stärker und können sich leichter von der Blüte losreißen.

Andere Pflanzen haben ähnliche Mechanismen

Ähnliche Vorkommnisse sind auch schon an Araujia sericifera festgestellt worden, die den passenden deutschen Namen „Folterpflanze“ trägt und wie die Dipladenia zu den Hundsgiftgewächsen (Apocynaceae) zählt. Sie heißt auf Englisch „moth catcher“, was auf den Mechanismus der Klemmfalle hindeutet, mit dem sie den Schmetterling festhält, bis die Bestäubung erfolgt ist. Und auch von Oenothera berlandieri und Oenothera speciosa (rosa blühende Nachtkerzenarten) ist bekannt, dass Taubenschwänzchen hängen bleiben und zu Tode kommen.

Erfahrungen von Gartenbesitzern zeigen zwar, dass anscheinend bei nassen Verhältnissen keine Probleme bestehen und festhängenden Faltern auch mit Wassertropfen geholfen werden konnte, wer aber das Taubenschwänzchen wirklich unterstützen möchte, sollte auf die angesprochenen Pflanzen besser verzichten. Sie können Ihren Kunden hier Alternativen zeigen, die den schnellen Schwirrern ebenfalls ein gutes Nektarangebot bieten: z.B. Verbenen, Lantanen, Fuchsien, Schmetterlingsflieder oder Ziertabak. Auch Trifolium, Geranium, Phlox, Echium, Viola, Jasmin und Stachys sind gute Nektarpflanzen.

Fremdländische Zierpflanzen als Falterfallen?