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Botrytis vermeiden

Ein Artikel von Peter Springer | 30.08.2010 - 15:14

Die Tage werden kürzer, die Nächte kälter, das Licht schwindet – der Herbst steht vor der Tür. In den Gewächshäusern kondensiert der Wasserdampf an der kalten Außenhaut und fällt als Wassertropfen in den Pflanzenbestand. Die Lüftung bleibt aufgrund der niedrigen Außentemperatur geschlossen, es findet keine Luftumwälzung statt und im Tagesverlauf zu spät gegossene Pflanzenbestände können zur Nacht hin nicht mehr abtrocknen. Die Pflanzen sind übermäßig mit Stick­stoff versorgt und stehen relativ eng. Das geschilderte Szenario gilt als ideale Brutstätte für eine der hartnäckigsten und gefürchtesten Krankheiten an Kulturpflanzen, der Grauschimmelfäule (Botrytis cinerea). Botrytis ist allgegenwärtig und kann so ziemlich alle Pflanzen befallen. Das macht diesen Schadpilz so gefährlich und gestaltet seine Bekämpfung schwierig. Ab Ende August nimmt die Sporenbildung bei abnehmender Lichtintensität ständig zu. Ideal sind für den Pilz Luftfeuchten über 93 % und ein weites Temperaturspektrum von 2 bis 30 °C. Die Sporenbildung erfolgt im starken Maße bei 70 bis 100 % relativer Luftfeuchte. Für die Keimung der Verbreitungsorgane (Konidien) und Infektion ist Botrytis auf eine bestimmte Blattbenetzungsdauer angewiesen, welche wiederum von der Temperatur abhängig ist. Je kälter es ist, desto länger muss das Blatt benetzt sein. Nur durch Hygiene im Betrieb kann das Sporenaufkommen etwas verringert werden. Das bedeutet das Ausräumen von krankem Pflanzenmaterial und die Reinigung der Häuser, wobei auf den Einsatz von wenig Wasser geachtet werden sollte. Der Empfehlung einiger Praktiker, Botrytissporen durch Bewässerung von oben „abzuwaschen“, kann nur bedingt zugestimmt werden. Voraussetzung sind hierbei optimale Kulturbedingungen sowohl im als auch außerhalb des Hauses, um vor allem den Bestand schnell wieder abtrocknen zu lassen.In der Regel wird aber in den Betrieben zu Fungiziden gegriffen. Leider sind durch den ständigen Einsatz gleicher Wirkstoffe beim Botrytis inzwischen Resistenzen eingetreten, die eine chemische Bekämpfung erschweren.

Dem Pilz die Lebensgrundlage nehmen
Das eingangs geschilderte Szenario sollte Kultivateure aufhorchen lassen. Wenn der Schadpilz bestimmte Bedingungen für seine Aktivitäten benötigt, so müsste seine Befallsstärke durch Veränderung dieser Parameter eigentlich reduziert werden können. Praxisversuche haben gezeigt, dass dies durch eine geschickte Klimaregelung im Haus auch tatsächlich möglich ist. Beispielsweise lässt sich durch die Klimaregel-Strategien Diff* und Drop* das Befallsrisiko bereits erheblich mindern, so dass auf den Einsatz von Fungiziden ganz oder teilweise verzichtet werden kann. Die Begründung dafür ist in der Reduzierung der relativen Luftfeuchte durch drastisches Absenken der Heiztemperatur in den frühen Morgenstunden und das Anheben der Nachttemperatur zu sehen. Ebenfalls ist eine Entfeuchtungsstrategie mit konventioneller Klimaführung (Kombination von Heizen und/oder Lüften) geeignet, den Botrytisbefall zu verringern. Allerdings ist gegenüber der Diff- und Drop-Variante hierbei ein immer noch stärkerer Befall festzustellen. Die oftmals aus Gründen der Energieeinsparung verringerten Nachttemperaturen führen in manchen Fällen rasch zum Taupunkt und somit zur Wasserbildung im Pflanzenbestand. In Gewächshäusern mit großen Mattenflächen reicht dafür bereits eine Absenkung von 2 bis 3 °C aus. Weiterhin hat die Bestandsdichte einen direkten Einfluss auf den Infektionsdruck. Bedingt durch Lichtmangel sind die Pflanzen hierbei weicher und somit anfälliger gegenüber Schwächepilzen wie Botrytis. Ähnliche Effekte treten auch bei zu hoher Stickstoff-Düngung auf. Die Bestandsdichte übt außerdem einen direkten Einfluss auf die dort herrschende Luftfeuchte aus. Selbst bei der Diff/Drop-Strategie kann die relative Luftfeuchte im Bestand auf über 90 % steigen. Das ist auf den behinderten Luftaustausch zwischen Gewächshaus und Pflanzen aufgrund des dichten Blätterdaches zurückzuführen, was wiederum ideale Bedingungen für Botrytis verursacht. Zur Vermeidung von hoher Luftfeuchte und stagnierender Luft wird daher der Einsatz von Ventilatoren empfohlen. Außerdem ist eine exakte Temperaturführung nach den Werten der Taupunkttabelle geeignet, um Niederschlag im Gewächshaus zu vermeiden. Durch Messung der aktuellen Temperatur und Luftfeuchte kann genau abgelesen werden, wie weit die Temperatur höchstens absinken darf, um 100 % relative Luftfeuchte (Taupunkt) zu verhindern.

Bewässerung nur morgens
Wichtig ist weiterhin, eine Bewässerung oder Pflanzenschutzmaßnahme nur morgens durchzuführen, um den Bestand rechtzeitig abtrocknen zu lassen. Entscheidend ist hierbei auch die richtige Höhe der Vegetationsheizung. Auf dem Boden liegend, verursacht sie eine höhere Wasserverdunstung. Der aufsteigende Wasserdampf kondensiert an den Blättern der Kulturpflanze und verschafft damit Pilzen aller Art optimale Lebensbedingungen. Besser ist es daher, die Heizrohre ins obere Drittel des Pflanzenbestandes zu hängen. Prob­lematisch wird es vor allem, wenn bei Strahlungsnächten die Gewebetemperatur der Pflanzen einige Grad unter der Lufttemperatur liegt und es dadurch noch schneller zur Kondensation an den Pflanzen kommt. Eine mit Erfolg praktizierte Möglichkeit, den Boden bei Schnittkulturen schneller abtrocknen zu lassen, ist die der Rindenmulchabdeckung. Der Boden behält zudem besser die Feuchtigkeit. Eine Reduzierung der Gießintervalle ist die Folge. Die Rindenabde­ckung ist vor allem bei Kulturen von Vorteil, deren Blätter zum Teil auf den Boden aufliegen (Anemonen, Gerbera). Die grobe Rinde (Körnung etwa 1 bis 3 cm, in 1 bis 2 cm Schicht) reduziert die Auflagefläche und somit den feuchten Kontakt zwischen Boden und Blatt. Allerdings muss bei mehrjähriger Anwendung der Rinde und ständigem Einfräsen in den Boden auf die Stick­stoff-Festlegung und auch auf eine eventuelle Einschleppung des gefürchteten Dickmaulrüsslers geachtet werden. Chemische Bekämpfungsmaßnahmen gegen Botrytis sind nur dann sinnvoll, wenn sie durch richtige Kulturführung mit entsprechender Klimastrategie unterstützt werden. Die Wahl des Bewässerungssystems besitzt einen entscheidenden Einfluss auf die Luftfeuchte und somit auf den Befallsdruck durch Botrytis. Die gerings­ten Probleme ergeben sich bei der Rinnenbewässerung. Ähnlich güns­tig reagiert auch die Anstau-Bewässerung. Systeme mit feuchter Oberfläche (Matten) erhöhen naturgemäß durch ihre Verdunstung das Botrytis-Risiko. Es wird in Kombination mit einer Untertischheizung nochmals verstärkt. Am ungünstigsten sind Bodenkulturen mit Überkopfbewässerung.

Bedachungsmaterial entscheidet
Die Wahl des Bedachungsmaterials trägt entscheidend dazu bei, inwieweit die Luftfeuchte im Haus steigt. Kann Wasserdampf an Scheibe oder Folie kondensieren und abfließen, sinkt die Luftfeuchte. Eine Doppelbedachung (Isolierglas, Doppelfolie) vermindert die Kondensation und erhöht damit die Luftfeuchte. Das betrifft auch den geschlossenen Energieschirm. Folien mit fehlender oder bereits abgewaschener No-Drop-Beschichtung lassen das kondensierte Wasser per Tropfen in den Bestand fallen, was erheblich das Botrytis-Risiko steigen lässt. Die Tatsache, dass UV-B-Strahlung die Sporenbildung von Botrytis fördert, führte in der Fachwelt zunächst zu dem Schluss, man könne unter UV-undurchlässige Bedachungsmaterialien (spezielle Folien) die Pilzausbreitung vermeiden. Da Glas für die UV-B-Strahlung nahezu undurchlässig ist, hätte in den entsprechenden Häusern kein Botrytis auftreten dürfen. Jeder weiß, dass dies nicht der Fall ist. Untersuchungen zeigten dann, dass die pilzhemmende Wirkung wahrscheinlich aus dem Verhältnis von Blaulicht zu UV-B resultiert. Inwieweit dies in Folien „eingearbeitet“ werden kann, muss noch ermittelt werden. Die modernen energiesparenden Gewächshauskonzepte vornehmlich niederländischer Kollegen (semigeschlossene oder sogar komplett geschlossene Systeme) sparen zwar durch reduzierte oder gar fehlende Lüftungen eine Menge Energie, erkaufen sich damit aber das Problem der erhöhten Luftfeuchte. Um dennoch die Werte in Grenzen zu halten, werden aufwendige Kühlgeräte und Wärmetauscher installiert. Sie sorgen dafür, dass überschüssige Energie abgeführt und die Luftfeuchte reduziert wird. Intelligente Systeme führen die Energie in unterirdische Wasserspeicher, um sie für die Beheizung der Anlagen zu nutzen.

Begriffserklärungen:
*Diff: Abkürzung für die Temperaturdifferenz zwischen der Tag- und Nachttemperatur. Bei einer positiven Differenz liegt die Tagtemperatur über der Nachttemperatur, bei einer negativen darunter.
*Drop (englisch=Sturz): Kurzbezeichnung für einen drastischen Temperatursturz am frühen Morgen. Auch „Cool-Morning-Strategie“ genannt.
Peter Springer