Wenn das Fertigationssystem vollkommen geschlossen ist, führt das zu einem kontinuierlich steigenden Salzgehalt der Nährlösung.
Dabei macht es durchaus einen Unterschied, um welche Salze es sich handelt. Zwei davon kommen im Regelfall im Bewässerungswasser vor: Natriumchlorid (NaCl) und Kalziumchlorid (CaCl2).
Grundlegendes
Zur besseren Nachvollziehbarkeit der Problematik ist eine kurze Rückkehr in die Chemiestunde sinnvoll: Salze bestehen immer aus zwei elektrisch geladenen Komponenten, von denen stets eine positiv (Kation) und eine negativ (Anion) ist.
Durch die so genannte Ionenbindung werden die beiden zusammengehalten. Beim Kochsalz etwa ist Natrium das Kation und Chlor das Anion. Salze bilden häufig Kristalle und sind meistens löslich. Genau das ist für den Gärtner von Bedeutung, weil ein gelöstes Salz – vereinfacht gesagt – in seine Einzelbestandteile zerfällt. Das wiederum kann den pH-Wert der Flüssigkeit ändern.
Außerdem wird die elektrische Leitfähigkeit von Flüssigkeiten durch gelöste Salze erhöht. Daher wird der Salzgehalt von Wasser auch in µS (Mikrosiemens) gemessen. Das Vorhandensein bestimmter Salze wird hingegen in mM (Millimol) angegeben. Salze reichern sich im landwirtschaftlich genutzten Boden an, da Beregnungswasser und Düngemittel diese elektrisch geladenen Teilchen beinhalten. Ähnliches gilt für erdelose Systeme.
Kochsalz = Pflanzengift
Unser Kochsalz gehört weltweit zu den schwersten Pflanzengiften überhaupt. Erhöhte Salzkonzentrationen erschweren es einer Pflanze nämlich, Wasser aufzunehmen. Das kann zu eingeschränktem Wachstum und Symptomen führen, die denen unter Dürrebedingungen ähneln.
Dabei kommt es meistens zu Blattnekrosen, bei denen sich das Blatt vom Rand weg zu verfärben beginnt. Zum Schluss ist es dann ganz braun. Bei Bäumen im Herbst mag das ganz hübsch aussehen, bei Kulturpflanzen unter Glas ist das unerwünscht, weil die Blätter letztlich absterben und abfallen. Bei Erdkultur tritt zudem das Problem auf, dass sich die Salze gerne in der Rhizospäre (Wurzelschicht) ansammeln, was sogar bei hohem Wasservorkommen erschwerte Aufnahme bewirken kann.
Die Reaktion einzelner Pflanzen auf hohe Salzgehalte variiert allerdings stark: Es gibt Pflanzen, die sehr salztolerant sind und andere, die schon bei geringen Salzkonzentrationen eingehen.
Salz? Nein danke!
Zu den besonders salzempfindlichen Gartenbaukulturen gehören u.a. Bohnen, Erdbeeren oder Salat. Manche Pflanzen regulieren schon in den Wurzeln die Aufnahme von Natrium. Viele der für den Salztransport zuständigen Gene haben die Wissenschafter bereits entschlüsselt.
So könnten vielleicht in Zukunft auch Nutzpflanzen wie Tomaten oder Mais auf versalzenen Böden angebaut werden. Auch bei den Mikroorganismen im Boden gibt es Salzspezialisten, die bei hohen Salzgehalten verstärkter auftreten, was sich wiederum nachteilhaft auf die enzymatischen Prozesse im Boden auswirkt.
Gemüsepflanzen reagieren allerdings auch ganz verschieden auf unterschiedliche Salze: Während Paradeiser oder auch Melanzani relativ hohe Konzentrationen aushalten, die Verträglichkeit jedoch primär vom Salzgehalt insgesamt abhängt, weisen Paprika und Salat in erster Linie eine Sensibilität gegenüber bestimmten Salzen auf.
Von der Gurke weiß man, dass sie Schwierigkeiten mit hohem Vorkommen von Kochsalz (25 bis 50 mM) hat, weil dann ihre Photosyntheseleistung schwer beeinträchtigt wird, wobei das Natrium anscheinend schädlicher ist als das Chlorid.
Auswirkungen auf Gurken
Fidanka Trajkova und Nicolas Papantonakis vom griechischen Institut für mediterrane Landwirtschaft in Chania sowie Dimitrios Savvas, der an der Fakultät für Landtechnik in Epirus tätig ist, setzten sich in einem Versuch genauer mit der Fragestellung auseinander, inwiefern es einen Zusammenhang zwischen hohem Naund Cl-Vorkommen auf der einen Seite und Gurkenwachstum und -ertrag auf der anderen Seite gibt. Die griechischen Forscher verglichen daher die Auswirkung von NaCl und CaCl2 auf den Ertrag und die Qualität von Gurken bzw. auf deren Entwicklung. Sie erwarteten sich davon Einblicke in die Mechanismen, die das Gurkenwachstum beeinträchtigen, aber auch Erkenntnisse für den Praktiker. Daher war das Versuchskonzept so aufgebaut, dass jeweils beide Salze in zwei verschiedenen Konzentrationen in die Nährlösung gegeben wurden.
Ausgangsbedingungen
Durchgeführt wurde der Versuch in Chania, Kreta, unter Glas. Im März 2004 wurden Gurken der Sorte 'Palmera', wenn sie zwei ausgewachsene Blätter aufwiesen, in lichtundurchlässigen Polyethylensäcken (mit Perlit gefüllt) ausgepflanzt. Jeder dieser Beutel maß 1,2 m und fasste 50l bzw. drei Pflanzen. Die Nährlösung wurde computergesteuert über Tropfbewässerung verteilt. Die Nachttemperaturen im Glashaus schwankten zwischen 15 und 26°C, die Tagestemperaturen zwischen 17 und 33°C.
Wie zuvor angeführt, gab es vier Varianten, die in jeweils vier Wiederholungen (bestehend aus zwölf Pflanzen) miteinander verglichen wurden. Zur Kontrolle gab es eine Standardvariante ohne erhöhten Salzgehalt. Ab dem Pflanzungstag wurden bereits die unterschiedlichen Salzniveaus getestet. Davon abgesehen, wurde die Düngung ganz den üblichen Mengen gemäß durchgeführt.
Zwischen April und Juli wurde dann zwei mal pro Woche geerntet. Neben dem normalen marktfähigen Ertrag wurde auch das Fruchtgewicht erfasst, genauso wie die Fruchtlänge, die Festigkeit, der pH-Wert, die Anzahl gelöster Stoffe und der Chlorophyllgehalt der Gurke. Dem nicht genug, wurden die Auswirkungen von NaCl und CaCl2 auf das pflanzliche Gewebe (inklusive Wurzeln) untersucht.
60 % Einbußen
Hohe CaCL2-Konzentrationen führten zu – im Vergleich zu den anderen Varianten – erhöhtem Wurzelwachstum, was auf die Schwierigkeiten bei der Wasseraufnahme zurückzuführen ist. Andererseits bewirkten hohe NaCl-Dosen verringerte Entwicklung der Blätter und des Stammes der Gurken: Die Blattund Stammmasse lag deutliche 55 bzw. 60% unter der der Variante mit der Kontrolllösung. Wenn wir nun die Ernte betrachten, so zeigte der Versuch, dass nur die Variante mit wenig ergänzendem CaCL2 (6,37 kg Ertrag/Pflanze) mit der Standardvariante (6,85 kg) mithalten konnte. Signifikant niedrigere Erträge wies die Variante mit viel CaCL2 (4,86 kg) auf. In der selben Kategorie befand sich die Variante mit wenig zusätzlichem Kochsalz in der Nährlösung (5,19 kg). Wo besonders viel NaCl zugesetzt wurde, waren die Ergebnisse regelrecht desaströs: Nur 3,87 kg Gurken pro Pflanze konnten geerntet werden. Alles in allem korrespondieren die Ertragsergebnisse also mit der Pflanzenentwicklung im Allgemeinen. Offenkundig wird das insbesondere mit einem Blick auf die Anzahl der Früchte pro Pflanze, die in der Standardvariante und in jenen mit wenig Salz zwischen 18 und 20 lag, in den Varianten mit viel Salz allerdings nur bei 15.
Ähnliches gilt für den nicht marktfähigen Ausschuss, wobei sich die Variante mit viel NaCl besonders negativ abhob. Auch bei der Länge der Gurken fiel diese Behandlung deutlich ab. Hinsichtlich des Durchmessers der Gurken wiesen beide Varianten mit erhöhtem Salz negativere Resultate auf, was auch punkto Festigkeit der marktfähigen Ware nachgewiesen werden konnte.
Viel Kochsalz, viel Chlorophyll
Die Untersuchung der pH-Werte zeigte jeweils leichte Erhöhungen in den Varianten mit wenig zugesetztem Salz und eine entsprechende Erhöhung dieses Effekts in den Varianten mit mehr ergänzendem CaCL2 bzw. NaCl. Wenn mehr Natrium zugesetzt wurde, konnte konsequenterweise auch mehr davon in der Pflanze nachgewiesen werden – ein Effekt, der in den Wurzeln besonders stark zum Tragen kam. Mehr Chlor in der Nährlösung bewirkte ebenfalls ein Ansteigen der Cl-Konzentrationen im gesamten Gewebe der Pflanzen allerdings mit Ausnahme der Früchte selbst. Summa summarum gab es das meiste Salz in der Behandlung mit viel Kochsalz, das wenigste, wenn die Standardlösung getestet wurde (die übrigen drei Varianten lagen dazwischen). Viel zugesetztes Kochsalz bewirkte auch überdurchschnittlich viel Chlorophyll im Pflanzengewebe; kein Wunder, musste sich die Pflanze bei dieser Behandlung doch auch am meisten „plagen“.
Es gibt daher Wissenschafter, die behaupten, dass sich die Salzkonzentration auf die Färbung der Gurken auswirkt (viel Chlorophyll = dunklere Pflanzen). In der Standardvariante wurde wiederum am wenigsten Chlorophyll nachgewiesen. Keine Unterschiede brachte die Analyse der Magnesium-Aufnahme der Pflanzen. Bei einem anderen wichtigem Nährstoff aber, nämlich Kalium, war die Aufnahme von K entgegengesetzt zu der Höhe der Salzkonzentration, was den Erwartungen der Forscher durchaus entsprach.
Störungen in der Jungpflanzenentwicklung
Insgesamt bewirkte NaCl weitaus mehr auffällige Resultate als CaCL2, was sowohl die vegetative Entwicklung der Pflanzen als auch die Ertragswerte unterstreichen. Daraus kann man schließen, dass die Beeinträchtigung des Gurkenwachstums weniger vom Salzgehalt an und für sich abhängt, sondern mehr von den gelösten Ionen: Na oder Ca. Das scheint durchaus ein Charakteristikum der Gurke zu sein, denn bei anderen Gemüsekulturen bewiesen Versuche eher einen Effekt der Salzkonzentration insgesamt auf die Pflanzenentwicklung.
Gerste reagiert übrigens ähnlich wie die Gurke besonders sensibel auf Kochsalz. Dieser Mechanismus wird insbesondere auf Störungen in der Jungpflanzenentwicklung zurückgeführt, die sich dann letztlich auch im Ertrag und der Qualität der Früchte niederschlagen. Man geht davon aus, dass zu viel Na in den Zellen nicht effizient separiert werden kann, was die Pflanze dazu „zwingt“, Natrium aus den Blättern abzusondern. Das verlangt der Pflanze viel Energie ab – und wenn diese Ausscheidung einmal nicht mehr bewerkstelligt werden kann, erleidet sie eine Natrium-„Vergiftung“ und ist in ihrem generativen Wachstum gestört.
Der geringe aber signifikante pH-Anstieg bzw. die geringere Festigkeit bei mehr Salz steht in Widerspruch zu Ergebnissen, die man von Tomaten kennt, ähneln aber jenen von Melonen. Hier fällt es also schwer, einen allgemein gültigen Zusammenhang zwischen dem pH des Fruchtsafts und der Festigkeit der Gemüse einerseits und der Salzkonzentration der Nährlösung andererseits zu konstruieren.
Zusammengefasst: Kaum Ertragsreduktion
Eine erhöhte Konzentration von CaCL2 in einer Hydrokultur bewirkt keine merkliche Ertragsreduktion, hat aber einen negativen Effekt auf das Fruchtgewicht und die Festigkeiten von Gurken. Kochsalz wirkt sich weit negativer aus, was mit dem darin vorhandenen Natrium zusammenhängt. Für den Praktiker ergibt sich daraus primär schlicht die Empfehlung, die Salzkonzentration der Nährlösung im Auge zu behalten.
Zur Beruhigung sei aber abschließend darauf hingewiesen, dass dieser Versuch nicht umsonst in Griechenland durchgeführt wurde, weil man im mediterranen Klima viel mehr Probleme mit Versalzung hat als in Österreich. In Zeiten des Klimawandels kann man aber nicht früh genug anfangen, sich mit den Schwierigkeiten unserer südlichen Nachbarn auseinanderzusetzen.