Zugegeben, bei den aktuellen Energiepreisen scheint eine Empfehlung von Kulturen mit höheren Temperaturansprüchen eher unverständlich. Wirtschaftlicher müsste es doch sein, jetzt verstärkt Kaltkulturen aufzugreifen, um die Heizkosten zu reduzieren. Oder ist es nicht sogar am sinnvollsten, die Gewächshäuser zeitweise stillzulegen?
Beim Pro und Contra ist die Effektivität des eingesetzten Produktionsfaktors Energie zu bewerten, d.h. wieviel Euro Erlös durch den Einsatz eines Euros Heizenergie erwirtschaftet wird. Zudem ist zu bedenken, dass bei steigenden Energiepreisen verstärkt Kaltkulturen produziert werden, deren Gesamtmenge die Nachfrage überschreiten kann, woraus deutliche Preiseinbrüche und Imageverluste resultieren können.
Gewächshausstilllegung
Bei Überlegungen, Gewächshausflächen stillzulegen, dürfen die Fixkosten des Betriebes nicht vergessen werden. Sie können betriebsspezifisch erheblich sein und werden in der Preiskalkulation üblicherweise über die Fläche bzw. die Netto-Tagesquadratmeter anteilig auf die Kulturen verrechnet. Eine zeitweise Stilllegung reduziert die Nutzungsintensität deutlich und erhöht dadurch die Kosten pro Netto-Tagesquadratmeter für die verbleibenden Kulturen, die durch den jetzt höheren Kostendruck u.U. sogar ins Defizit rutschen können. Müssen die leerstehenden Häuser zum Schutz der Heizrohre dann auch noch frostfrei geheizt werden, entstehen zusätzliche Kosten, denen kein Ertrag gegenübersteht. Vor diesem gedanklichen Hintergrund ist es im Einzelfall sinnvoll, bewusst andere Wege zu gehen und die Qualität und Exklusivität der Produkte in den Vordergrund zu stellen.
Alternative Schnittfarn
Das Gartenbauzentrum Geisenheim des Landesbetriebes Landwirtschaft Hessen hat in den vergangenen Jahren mehrere Farne hinsichtlich ihrer Eignung als hochwertiges Schnittgrün untersucht. Der Bericht fasst die da–raus resultierenden positiven Ergebnisse zusammen. Aus der Gruppe der untersuchten Farne haben Nephrolepis exaltata ‘Handy‘, Phlebodium aureum ‘Poly 2000‘ und Microsorum scolopendrium ‘Green Wave¨‘ durch ihr Erscheinungsbild ihre Haltbarkeit und ihre erreichten betriebswirtschaftlichen Zahlen überzeugt und können zur Produktion von hochwertigem und exklusivem Schnittgrün empfohlen werden.
Alle drei Farne sind als Topfpflanzen im Handel erhältlich, so dass starkes Ausgangsmaterial für die Schnittgrünkultur zur Verfügung steht und die Kulturen sehr zügig in den Ertrag kommen. Die Farnschnittkultur mit Jungpflanzen zu beginnen, ist weniger ratsam. Je nach Entwicklungsgeschwindigkeit der Art und Sorte kann bis zur ersten Ernte eine lange und damit teure Vorkultur erforderlich sein.
Nephrolepis exaltata 'Handy'
Der Sortenname 'Handy' leitet sich aus der fingerbzw. handförmigen Verzweigung der Wedelspitze ab. Die bogenförmig überhängend wachsenden Wedel erreichen Längen bis 60 cm. Die auffallende und besondere Wedelform sollte in einer adäquaten Verwendung berücksichtigt werden.
Wie bei Nephrolepis üblich sind die Wedel gänzlich mit Fiederblättchen besetzt, die sich bei Bedarf aber leicht abstreifen lassen. Mit Rücksicht auf die relativ schwere Wedelspitze ist sorgsam zu ernten, die Wedel können abknicken. Ansonsten ist die Kulturführung problemlos, wie alle Nephrolepis ist auch 'Handy' sehr wüchsig. Sobald sich die Wedelspitze vollständig entfaltet hat, kann geerntet werden.
Erntereife Wedel lassen sich ohne Qualitätsverlust für mehrere Wochen auf den Pflanzen lagern. Nach Bedarf dann frisch geerntet, halten die Wedel mindestens zwei Wochen, so dass den Kunden eine sichere Haltbarkeitsgarantie gegeben werden kann. 'Handy' bildet praktisch keine Sporen. Im deutschen Sprachraum wird mit dem Sortennamen 'Handy' spontan „Mobiltelefon“ assoziiert werden. Der Sortenname sollte bewusst kommuniziert werden. Die dadurch erreichte Aufmerksamkeit lässt sich in der Werbung und im Verkaufsgespräch geschickt nutzen.
Phlebodium aureum 'Poly 2000'
Große, auf langen Stielen stehende, tief geteilte Wedel in blaugrüner Farbe zeichnen diese Phlebodiumsorte aus. Die Wedel entspringen starken, oberirdisch wachsenden Rhizomen, die auffallend behaart sind. Durch Form und Farbe wirken die Wedel elegant und eignen sich sehr gut für die ganzjährige Verwendung in der anspruchsvollen Floristik. Unterstützt wird dies durch die hervorragende Haltbarkeit von mindestens drei Wochen. Sporen erscheinen erst an älteren Wedel. Es kann ohne Qualitätsverlust vorher geerntet werden, sobald die Wedel eine fühlbare Festigkeit besitzen.
Die Sporen sitzen dekorativ in kleinen, goldgelben Häufchen an der Wedelunterseite und werden nicht ausgestreut. Verschmutzungen sind somit ausgeschlossen und auch ältere, sporentragende Wedel können problemlos als Schnittgrün verwendet werden. Schnittreife Wedel lassen sich folglich sehr lange auf den Pflanzen lagern und nach Bedarf ernten und frisch verarbeiten. Die langen Stiele und die Wedelform ermöglichen eine schnelle und problemlose Ernte. Phlebodium toleriert auch niedrigere Temperaturen, die Kultur kann in den Wintermonaten auch bei Temperaturen um 10°C gefahren werden. Allerdings geht der Zuwachs dann deutlich zurück. Die Wedelfarbe wird durch einen etwas helleren Standort intensiviert, volle Sonne verträgt der Farn aber nicht.
Microsorum scolopendrium 'Green Wave'
Dieser Farn wurde erstmals 2002 auf der hortifair vorgestellt, wo er großes Aufsehen erregte. Durch ihren einzigartigen Habitus eignet sich die Sorte hervorragend zur Verwendung als exklusives und sehr hochwertiges Schnittgrün. Die aufrecht wachsenden Wedel werden 60 bis 80 cm lang, dabei nehmen die starken Stiele knapp die Hälfte der Gesamtlänge ein. Die glänzend dunkelgrün gefärbten Wedel wirken durch ihre gedreht bis wellenförmige Form und die sehr feste Struktur sehr dekorativ. Durch ihren gekrausten Wuchs füllen sie sehr gut.
Ähnlich wie Phlebodium wachsen die Rhizome von 'Green Wave' teilweise oberirdisch, sie sind aber deutlich dünner und nicht behaart. Den sehr zahlreichen, ineinander verschlungenen Rhizomen entspringen die Wedel in ca. 3–4 cm Abstand, so dass die Wedel sehr dicht auf den Pflanzen stehen.
Anspruchsvoll in der Kultur
Im Vergleich zu den beiden anderen beschriebenen Farnen stellt ‘Green Wave¨‘ etwas höhere Anforderungen an die Kulturführung. Temperaturen unter 15°C sind zu vermeiden, da sie zu deutlichen Schäden führen können; optimal ist die Kultur um 18°C. In den lichtarmen Monaten ist der Bestand deutlich trockener zu halten und die Düngung stark zurückzunehmen. Dadurch kann einem Missverhältnis zwischen Wasseraufnahme und Wasserabgabe vorgebeugt werden, wodurch es sonst zum Auftreten von schwarzen Flecken auf den Wedeln kommen kann. Betroffene Wedel sind wertlos. Ursache für das irreversible Schadbild ist das Platzen von Zellen durch Wasserüberschuss im Blattgewebe.
Voraussetzung Haltbarkeit
Ein den Kunden bisher unbekanntes Produkt darf weder im Handel noch beim Endverbraucher enttäuschen, wenn die Etablierung auf dem Markt erfolgreich sein soll. Eine neue Schnittgrünart muss neben anderen auch eine mindestens gute Haltbarkeit aufweisen. Sie wird u.a. auch von dem richtigen Erntezustand beeinflusst, der sich für 'Green Wave®' wie folgt beschreiben lässt: Die Wedel sind fühlbar fest und dunkelgrün ausgefärbt. Die Erfassung der optimalen Erntereife muss im Betrieb überprüft werden.
Vorsicht, Erntezeitpunkt
Zu früh geerntete Wedel verlieren in wenigen Stunden ihre Turgeszenz und zeigen eine stumpfe Farbe. Im Versuch wurde das Erntegut vorsichtshalber erst am Folgetag für den Markt aufgearbeitet, so konnten u.U. unreif geerntete Wedel sicher erfasst und aussortiert werden.
Wie Phlebodium trägt auch 'Green Wave®' erst sehr spät Sporen, die in dekorativen, orangefarbenen Häufchen sitzend ausgebildet werden und nicht rieseln. Reife Wedel können dadurch auch lange auf der Pflanze stehen und nach Bedarf geerntet werden. Die außergewöhnliche Form und die bei optimaler Ernte gute Haltbarkeit von zwei Wochen sprechen für die Verwendung von 'Green Wave®' als exklusives und hochwertiges Schnittgrün. Die Sorte unterliegt dem Sortenschutz, Lizenzinhaber für Europa ist Vitro Plus in den Niederlanden.
Kulturführung bei starker Rhizombildung
Die Schnittgrünversuche im Gartenbauzentrum Geisenheim werden unter der Vorgabe der flexiblen Flächennutzung konzipiert, d.h., alle Versuche werden in Töpfen oder Containern durchgeführt. Mit Rücksicht auf die starke oberirdische Rhizombildung bei Phlebodium und Microsorum bzw. die Ausläuferbildung bei Nephrolepis wurden in den Versuchen einfache, 30 x 40 cm große und 10cm hohe Kunststoffkisten mit Gitterboden verwendet, jeweils 1 Pflanze pro Kiste. 'Green Wave®' wurde mit 8 Pflanzen/Nm², 'Poly 2000' und 'Handy' mit 6,5 Pflanzen/Nm€ kultiviert. Als Substrat hat sich R.H.P. 15 (Klasmann) bewährt. In den Versuchen wurde mit einer Bewässerungsdüngung mit 0,05% Ferty 2 Mega im geschlossenen System gearbeitet. Die Verteilung erfolgte durch im Bestand liegende T-Tape Tropfbewässerungsschläuche.
Bewässerung mit Zeitschaltuhren
Bei Nephrolepis und Phlebodium wurde die Bewässerung mit einfachen Zeitschaltuhren aus dem Baumarkt gesteuert, je nach Jahreszeit wurde einbis viermal täglich bewässert. Die Zeitschaltuhren wurden bewusst gewählt, um den technischen Aufwand gering zu halten und die Übertragung in die Praxis zu erleichtern. Bei 'Green Wave®' kam eine Regelung mittels Tensiostat zum Einsatz. Der Einschaltpunkt lag von März bis November bei 100hPa, in den Wintermonaten wurde er auf 120 angehoben und die Kultur so trockener gefahren. Die Heizungssolltemperatur betrug 18/16°C, die Versuche wurden in einem einfach verglasten Gewächshaus unter einem dichtschließenden einlagigen Energieschirm durchgeführt. Die mobile Innenschattierung schloss bei 25.000 Lux. Krankheiten oder Schädlinge traten in den Ver-suchen nicht auf.
Ernte und Marktaufbereitung
Die optimale Erntereife der einzelnen Farne wurde durch Probeernten ermittelt und anhand einer spezifischen fühlbaren Stabilität der Wedel definiert. Das Schneiden mit Messer oder Schere erwies sich als arbeitswirtschaftlich am günstigsten. Das Erntegut wurde sofort in Wasser eingestellt. Phlebodium lässt sich völlig problemlos ernten und für den Markt aufbereiten.
Die großen, tief fiederspaltigen Wedel verhaken nicht, es kann sehr flott geerntet werden und es entstehen keine Verluste. Bei 'Green Wave®' ist der Arbeitsaufwand leicht erhöht, da die Wedel wesentlich dichter auf den Pflanzen zusammenstehen und die Ernte zeitlich dadurch etwas aufwändiger wird. Die Marktaufbereitung der geernteten Wedel geht aber sehr zügig. Bei 'Handy' ist der Arbeitsaufwand durch den überhängenden Wuchs und die breiten Wedelspitzen, die sich leicht verhaken bzw. die Gefahr, dass der Wedel knickt, bei Ernte und Marktaufbereitung deutlich höher. Gemäß den Anforderungen des Marktes wurden die Farne in 10er-Bündeln und in Wasser stehend vermarktet.