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Auf Sand gebaut

Ein Artikel von Peter Springer | 01.06.2016 - 14:53

Sand entsteht durch die chemische und physikalische Verwitterung von Gesteinen. Schwerkraft, Wind und Wasser transportieren die Körner, wobei sie sowohl durchmischt als auch sortiert werden können. Je länger dieser Transportweg ist, desto stärker werden sie abgeschliffen und desto runder sind sie. Welchen Widerstand die Materialien der weiteren Erosion entgegensetzen, ist abhängig vom Ursprungsmaterial. So ist Quarz bedeutend härter als Sandstein und benötigt mehrere Erosionszyklen im Laufe der Erdgeschichte, um abgeschliffen zu werden.

Meistens besteht Sand aus Quarz (Siliciumdioxid). Er ist einer der wichtigsten Rohstoffe für die Bauindustrie sowie für die Herstellung von Glas und Halbleitern. Es gibt aber auch Sand aus Muschelkalk oder Vulkangesteinen. Sand ist weltweit zu finden, meistens als Ablagerungen von Flüssen, an den Meeresküsten oder in den großen Wüstengebieten.

Sand ist nicht gleich Sand

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Die Klassifizierung der Sande, die Korngrößen und Absiebungen sowie die Gesteinsart sind wichtige Faktoren, um mit ihnen als Baumaterial arbeiten zu können. Schlecht sortierte Sande können aus einem Spektrum an Korngrößen bestehen. Feine Sande und jene mit einem höheren Feinanteil sind bindiger als gröbere Sortierungen. Sie nehmen daher auch mehr Wasser und Bindemittel auf.

Ebenfalls entscheidend ist, ob im Material mehr runde oder mehr kantige Körner vorhanden sind. Kantige Körner wie beim Brechsand verhaken sich im Gefüge und geben eine gute Struktur, ohne zu schnell zu sedimentieren.

Einer der wichtigsten Rohstoffe

Sand hat sich in der heutigen Zeit zu einem der wichtigsten Rohstoffe entwickelt. Das betrifft nicht nur die Bauwirtschaft. Er wird eingesetzt beim Sandstrahlen, bei Schleifarbeiten, ist Grundlage der Glasherstellung und dient als Filtermedium in der Abwasserreinigung. Eine immer stärkere Bedeutung bekommt vor allem Siliziumsand in der Fertigung von Halbleitern oder Solarpaneelen.

Nicht zu vergessen die Bedeutung von Sand in der Tourismusindustrie an Stränden und in Dünenlandschaften oder zur Landgewinnung. Weltweit wächst der Hunger nach dem Material, v. a. durch die rege Bautätigkeit werden Unmengen an Sand benötigt.

Beton ist eigentlich nichts anderes als gebundener und stabilisierter Sand. Er ist eines der weltweit am häufigsten verwendeten Materialien in der Bauwirtschaft. Etwa zwei Drittel aller Gebäude bestehen aus Stahlbeton, der wiederum zu zwei Dritteln aus Sand besteht. Um ein Einfamilienhaus zu bauen, werden etwa 200 t Sand benötigt, jeder Kilometer Autobahn verbraucht 30.000 t Sand.

Experten beziffern den weltweiten Sandverbrauch auf rund 15 Mrd. Tonnen jährlich. Nach Luft und Wasser ist Sand das am meisten verbrauchte Wirtschaftsgut der Welt.

Abbau mit Umweltfolgen

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Der ungebremste Verbrauch bleibt aber nicht ohne Folgen. Während früher Sand einfach aus dem Boden geholt werden konnte, ist der Abbau heute schwieriger. Die ständig steigende Nachfrage ist nicht mehr problemlos zu decken.

Da die einfachen Lagerstätten inzwischen weitestgehend ausgebeutet sind, konzentriert sich die Industrie nun auf Vorkommen, die nur mit einem erhöhten Aufwand zu erreichen sind – mit gravierenden Umweltbeeinträchtigungen. So werden verstärkt Flüsse ausgebaggert, was deren Fließgeschwindigkeiten erhöht und heftige Hochwasser mit sich bringt.

Der Tagebau in Sandgruben musste reglementiert werden, um nicht großflächig Landschaften zu zerstören. Daraufhin wandte man sich dem Meer zu und begann dort mit dem Sandabbau. Inzwischen ist eine ganze Armada von Schwimmbaggern auf den küstennahen Weltmeeren unterwegs, um den begehrten Rohstoff zu fördern. Dies mit entsprechenden Auswirkungen auf das Meeresleben und auf andere Küstengebiete, denn Sand im Meer ist ständig in Bewegung und wenn er an einer Stelle entnommen wird, dann fehlt er an anderen Stellen.

Warum wird aber kein Sand aus der Wüste verwendet um den ungeheuren Bedarf zu decken? Der Sand dort besteht meist aus runden, glatt geschliffenen Körnern, die für Bauprojekte nicht geeignet sind. Hier werden v. a. Körner mit einer rauen, kantigen Oberfläche benötigt. So ist z. B. der Wüstenort Dubai von Unmengen an Sand umgeben, muss für seine Bauprojekte aber Sand aus Aus­tralien importieren.

Sand wird zum Wirtschaftsfaktor

Geeigneter Sand ist somit zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor geworden. Das weltweite Handelsvolumen wird auf rund 70 Mrd. Dollar jährlich geschätzt. Inzwischen gibt es in Südostasien einen regelrechten Schwarzmarkt für Sand. Der illegale Handel bedient hier ehrgeizige Landgewinnungspläne und große Bauprojekte.

Auch anderswo verspricht der gesetzeswidrige Abbau gute Geschäfte. In der Karibik, in Asien und Afrika werden Strände geplündert, wobei z. T. auch vor Ferienorten nicht Halt gemacht wird. Dabei ist dieser Sand für den Bau nicht geeignet, weil er stark salzhaltig und damit korrosiv ist.

Unabhängig davon wird ein permanenter Rückgang aller Sandstrände der Erde festgestellt. Die Ursachen liegen zum einen im ansteigenden Meeresspiegel und zum anderen in der zunehmenden küstennahen Bebauung. Zudem ist dem Sand durch Staudämme der Weg vom Gebirge ins Meer versperrt. Entweder bleibt er in den Stauseen liegen oder er wird bereits den Flüssen entnommen. Es reicht jedenfalls kaum noch, um an der Küste breite Sandstrände aufzubauen.

Kampf um die letzten Ressourcen

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In Mitteleuropa läuft der Sandabbau in geordneten Bahnen ab, stark kontrolliert von den Umweltschutzbehörden und kritisch begleitet von den Bürgern. Es zeigt sich, dass weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit ein Wettkampf um die letzten Ressourcen an Sand entbrannt ist, ähnlich wie bei anderen begehrten Rohstoffen.

Weitere Abbaugenehmigungen werden kaum erteilt und verschärfen die Situation zusätzlich. Letztlich wird sich der Mangel über den Preis bemerkbar machen. Das wird auch der Gartenbau zu spüren bekommen, der Sand für die Pflanzenproduktion oder in der Landschaftsgestaltung benötigt. Da der Sandabbau immer einen Eingriff in die Natur mit sich bringt, sollte mit dem Baumaterial möglichst ressourcenschonend umgegangen werden.

Wichtig ist die Erkenntnis, dass auch Sand etwas Besonderes ist und nicht in unendlicher Menge und zum Nulltarif zur Verfügung steht. Vor dem Ruf nach Beton wäre immer die Frage zu stellen, ob die gleiche Aufgabe nicht auch mit Recyclingmaterial oder mit nachwachsenden Rohstoffen wie z. B. Holz oder Bambus zu lösen ist.