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Was ist (m)ein Baum wert?

Ein Artikel von DI Dr. Gerald Schlager Ökologen+Ingenieure KEG | 19.05.2006 - 09:55

Mit immensem Kostenaufwand werden jährlich Gehölze gepflanzt, mit noch höherem Aufwand (bezogen auf ihre Lebensdauer) müssen sie danach gepflegt und erhalten werden, sonst gehen Funktionen unter.

Der Traum jeden zweiten Bürgers ist nach wie vor das Eigenheim mit Garten. Jene, die in Wohnungen leben, bevölkern in ihrer Freizeit die öffentlichen Grünanlagen. Der Immobilienmarkt wirbt mit Grün, Gesetze, Verordnungen und Erlässe regeln den Erhalt von Bäumen und Landschaften.
Aber wie steht es um den Wert von Bäumen? Bewertungsanlässe können Teilund Totalbeschädigungen infolge von Baumaßnahmen (Grabungsarbeiten, Stammverletzungen, Kronenbeschädigungen) und Verkehrsunfällen, Grundstücksablösen (Verlust einer Hecke infolge Grundstücksabtretung), Wertminderungen durch notwendige Rücknahmen von Baumbestandteilen (Wurzelbereich, Kronenrückschnitt) oder Immobilenschätzungen sein.

Wer bewertet?
Der Sachverständige handelt nach seinem Sachverstand, nach bestem Wissen und Gewissen. Sachverstand heißt Ausbildung, Erfahrung und laufende Fortbildung. Der Sachverständige haftet für seine Aussagen. Er bearbeitet Aufträge, ist aber kein Auftragsgutachter. Für die Tätigkeit als Sachverständiger ist es grundsätzlich völlig ohne Belang, ob er hiefür durch seine Zertifizierung (Ziviltechniker, Gerichtssachverständiger, Amtssachverständiger) dieser Sachverständigenaufgabe „gewachsen” sein müsste. Einzig maßgeblich ist die tatsächliche fachliche Eignung!

Wertermittlung
Welche Grundlage ziehe ich für die Wertermittlung heran? Welche Bewertungsansätze bieten sich grundsätzlich an?
Im bäuerlichen Selbstverständnis bestimmt sich der Wert eines Baumes nach dem erzielbaren Holzerlös. Diese aus der Waldbewirtschaftung abgeleitete Wertbestimmung ist jedoch funktionsbedingt auf Ziergehölze nicht übertragbar. Auch die besondere Vorliebe des Grundeigentümers, also ein emotionaler Wertansatz (Liebhaberwert) entzieht sich einer objektiven Wertermittlung. In der Praxis werden bei Schadensbewertungen zumeist Baumschulkatalogpreise herangezogen.

Diese Listenpreise bilden aber eine „Baumwertentwicklung“ ab, wie sie bewertungstechnisch nicht gegeben ist. So steigt der Verkaufspreis von Baumschulware pro Dimensionseinheit (gemessen in 5 cm Einheiten des Stammumfanges oder 50 cm der Baumhöhe) um jeweils etwa die Hälfte; dies würde einer jährlichen Wertsteigerung (Rendite) von 22 % entsprechen. Eine indexangepasste Hochrechnung der ursprünglichen Investitionen (Gehölzkosten, Pflanzungskosten) wiederum würde die zwischenzeitlich angefallenen Pflegeaufwändungen unberücksichtigt lassen.

Die Rechtslage gibt einen gänzlich anderen Bewertungsansatz vor. Demnach gelten Bäume als unselbstständige Bestandteile des Grundstückes, auf dem sie stocken; diese unselbstständigen Bestandteile folgen dem sachrechtlichen Schicksal der Hauptsache. Bäume lassen sich also nicht rechtlich isoliert vom Grundstück betrachten. Gehölze sind sonderunrechtsfähig, sie müssen so behandelt werden, wie das Grundstück, auf dem sie stocken. Nicht der Baum wird beschädigt, sondern das Grundstück, auf dem er steht; es wird in die Substanz (Verkehrswert) des Grundstückes eingegriffen.

Gehölzwertermittlungsverfahren
Grundsätzlich ist der Sachverständige in der Wahl „seines“ Bewertungsverfahrens frei, solange er in nachvollziehbarer Form begründet, warum das von ihm herangezogene Verfahren im gegenständlichen Bewertungsfall zur Anwendung zu bringen ist.
Eine Methode oder ein Verfahren muss – will es sich in der Praxis bewähren – demnach auf vielerlei Akzeptanz stoßen. SCHULZ (2004) hat eine umfassende Analyse von 26 Gehölzbewertungsmodellen vorgenommen. Die Kriterien Rechtsprechung, Anwendungsbereiche, methodische und taxatorische Komponenten, Gehölzbiologie, Praktikabilität wurden in vierzig Aspekten (max. zwei Punkte pro Aspekt) einer Stärkenund Schwächenanalyse unterzogen; die maximal erreichbare Punkteanzahl betrug demnach 80 Punkte. Die höchste Bepunktung (74) entfiel auf die „Methode Koch“.

Die Koch-Methode
Diese Methode benennt sich nach dem Gartenbauingenieur Werner Koch (1927-1993), welcher im Jahr 1967 eine „Wertabschätzung und Entschädigung im Gartenbau“ veröffentlicht hat. Bereits 1970 erschien das heute in 3. Auflage fortgeführte Standardwerk „Aktualisierte Gehölzwerttabellen. Bäume und Sträucher als Grundstücksbestandteile an Straßen, in Parks und Gärten sowie in der freien Landschaft, einschließlich Obstgehölze“.

Mit dem Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) zum „Berliner Kastanienbaum“ im Jahr 1975 ging diese Bewertungsmethode als „Methode Koch“ in die bundesdeutsche Rechtsprechung ein. Im gegenständlichen Gerichtsverfahren hat der BGH weder die Maximalforderung (Naturalrestitution) des geschädigten Baumeigentümers, noch das Minimalangebot des Schädigers (Ersatz des beschädigten Baumes in der ortüblichen Pflanzgröße) akzeptiert, sondern eine Schadensbemessung nach den Herstellungskosten (bis zu Funktionserfüllung) für gerechtfertigt erachtet.

Anschaffungskosten
In Österreich datiert eine vergleichbare höchstgerichtliche Entscheidung (OGH 21.11.1989, GZ 15 Os 88/89): Bei Beschädigung von Bäumen ist jener Wert, den die nicht mehr reparablen Bäume zur Tatzeit hatten, maßgeblich. Der Wert errechnet sich aus den Anschaffungskosten zuzüglich von Zinsen für die Wiederherstellung und abzüglich von schon vorhandenen Beschädigungen.
Diese Gehölzbewertungsmethode ist ausschließlich auf Solitärgehölze außerhalb von forstlich genutzten Flächen (Wald) anwendbar. Auch Teilaspekte (Bewertungsparameter) dürfen nicht für die Schadensbewertung von Waldbeständen angewendet werden.

Bewertungstechnischer Ansatz
Wo liegt der bewertungstechnische Ansatz nach der Methode Koch? Das Gehölz stellt einen wertbildenden Bestandteil des Grundstückes dar. Es beeinflusst dessen Verkehrswert. Die Methode Koch folgt dem Sachwertverfahren. Das Gehölz wird bewertungstechnisch nicht als losgelöstes Individuum aufgefasst, sondern in seiner spezifischen Funktion als Teil des örtlichen Grundstückes gesehen. Beim Sachwertverfahren werden zur Wertfindung eines Gehölzes gedanklich die Kosten ermittelt, die entstanden sind, um dieses Gehölz zu „bauen“. Stichtagsbezogen werden im Zeitpunkt der Wertermittlung Normalherstellungskosten einer Gehölzwertermittlung zugrunde gelegt. Je wichtiger die funktionale Bedeutung, desto höher der rechnerische Gehölzwert. Persönliche Vorlieben des Grundeigentümers sind hierbei ohne Belang; gehen somit nicht in die Bewertung ein.

Berücksichtigung der Funktionsbezogenheit
Sind die Kosten, die bei der Pflanzung einer gleichen Gehölzgröße (Naturalrestitution) entstehen unverhältnismäßig, so werden jene Kosten zugrunde gelegt, die bei der Pflanzung einer üblichen, angemessenen Größe entstehen würden. Zudem ist die erforderliche Herstellungszeit, die das gewählte Gehölz bis zu seiner Funktionserfüllung benötigt, in die Wertermittlung einzubeziehen.

Der so errechnete Herstellungswert gilt für eine einwandfrei gelungene Pflanzung, alle tatsächlich gegebenen Wertminderungen z.B. wegen Altersoder sonstiger Mängel, sind davon in Abzug zu bringen. Die Besonderheit dieser Gehölzbewertung liegt in der Funktionsbezogenheit und umfassenden Berücksichtigung von Vorschäden, wie sie zum Bewertungsstichtag bereits bestanden haben. Dies gilt sowohl für standräumliche Probleme (Dichtstand), wie auch alten Beschädigungen im Wurzel-, Stammund Kronenbereich. Zudem gehen das aktuelle Gehölzalter und die potenziell erwartende Reststandzeit indirekt über die Berechnung der Alterswertminderung in die Bemessung ein.